Immer Ärger und Langeweile im Club Méditerranné. Vivaldi, Orlando Furioso an der Oper Frankfurt

Ja, warum sollen Angelica und Medoro, Ruggiero und Bramante, Alcina und Orlando, der versierte Opernbesucher  kennt sie alle schon von Händel  her, sich nicht auch einmal in einem südlichen Club Med  treffen, zu der Alcinas Zauberinsel in Frankfurt mutiert ist, einem Club Med mit Felsenstrand, Strandbar und der schönen und eleganten Alcina als Gentil Animateur, die sich um die Liebeshändel der Gäste sorgt, sich aber leider in einen Neuankömmling, einen gewissen Ruggiero, so hoffungslos verknallt, dass sie dabei zugrunde geht und der Club geschlossen werden muss. Natürlich konnte Alcina nicht damit rechnen, dass der abgetakelte Pop Star Orlando ständig Ärger macht und schließlich vollständig durchdreht, dass Ruggiero ein solches Weichei ist, dass er sich gleich von seiner Exfreundin Bramante, einem Monster an Eifersucht, mit allen Tricks wieder einfangen und domestizieren lässt. Nur die beiden Kids, Angelica und Medoro, die heillos ineinander verschossen sind, machen keinen Ärger, wenngleich die arme Angie alle Händel voll zu tun hat, sich den aggressiven Pop Star, der einfach nicht einsehen will, dass er bei ihr keinen Stich machen kann, vom Halse zu schaffen. Eine schöne, eine muntere Konstellation, die das Zeug zu einer Soap Opera oder zu einer Operette hat. In Frankfurt weiß Regisseur Bösch  im „ersten Teil“ auch recht geschickt und zum Gaudi des Publikums mit den Möglichkeiten des Librettos zu spielen. Allein im zweiten Teil da trägt sich die Konzeption nicht mehr so recht.  Wiederholungen und  müde Gags häufen sich, und es breitet sich allgemeine Langeweile aus, eine Todsünde, die auch ein genügsames Publikum nicht verzeiht. Warum, so fragt sich die geduldige Opernbesucherin, streicht man diesen Vivaldi nicht auf zwei Stunden zusammen und spielt mit Tempo und Witz und natürlich ohne Pause einfach durch. An Kompetenz fehlt es doch wirklich nicht. David Bösch, der für die Inszenierung verantwortlich zeichnet, ist doch ein erfahrener Theatermann, und mit Andrea Marco steht ein Vivaldi Spezialist der ersten Garnitur am Pult, bei dem die Musik wirklich so „frisch“ klingt, „als wäre sie im Moment entstanden“(Andrea Marco). Doch da es offensichtlich am Mut zu Strichen fehlt, gerät der eigentlich so gut angelegte Vivaldi Abend zu einem Abend der verschenkten Möglichkeiten. Ganz so schlimm, wie es ein den Frankfurtern nicht unbedingt wohl gesonnener Musikkritiker in der überregionalen Presse meinte, ist der Frankfurter Orlando nun auch  wiederum nicht.  Sonia Prina, die wir bei anderen Gelegenheiten schon viele Male als Vivaldi- und Händelsängerin erlebt haben, legt sich in der Titelrolle als Sängerin und Komödiantin  mächtig ins Zeug und zieht auch das Ensemble mit. Aber, wie es so schön heißt, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Wir sahen die Vorstellung am 21. Februar. Es war die dritte Aufführung nach der Premiere am 14. Februar 2010.

Auf Gerüsten da singt und klettert sich halt so schön. Die Bayerische Theaterakademie präsentiert Vivaldi, Orlando furioso

Gestern Abend im Prinzregententheater, als eine brillante Truppe von Studenten der Hochschule für Musik und Theater Vivaldis im Jahre 1727 uraufgeführte Oper vorstellte, habe ich mich manchmal gefragt, warum ich eigentlich noch in die Münchner Staatsoper gehe und mich dort über durchgeknallte Theatermacher und arrogante Soundtrack Lieferanten ärgern soll. Im Prinzregententheater musizierte unter der Leitung von Michael Hofstetter die  Hofkapelle München passioniert, auf der Bühne sangen und spielten junge Sänger und Sängerinnen, die, allen voran der Countertenor  Valer Barner-Sabadus in der Titelrolle,  wohl so ziemlich alle bald zur Spitzenklasse gehören dürften. Als interessierte Dilettantin maße ich mir kein Urteil an. Ich kann nur sagen, dass es nichts gab, worüber man sich ärgern konnte. Es wurde einfach schön und brillant gesungen und musiziert, und ein voller Saal feierte zu Recht alle Mitwirkenden. Zur Inszenierung, die wohl mit einem äußerst sparsamen Budget auskommen musste, ist nicht viel zu sagen. Regisseur und Ausstatter begnügen sich mit einem über den Orchestergraben führenden Laufsteg und einem mehrstöckigen Gerüst, das an eine schwarze Wand montiert ist. Auf diesem Gerüst klettert man dann halt ständig herum und übt sich immer wieder Metatheatergags. Da tritt zum Beispiel Astolfo aus seiner Rolle heraus und mimt den Theaterdirektor, der dem Publikum den Ort des jeweiligen Geschehens beschreibt. Da beobachten die gerade nicht aktiven Darsteller  als Zuschauer ihre gerade agierenden Mitspieler. Leider trägt die Regie zur Verdeutlichung der schon etwas wirren Handlung wenig bei. Wer die Dreiecksgeschichte von Orlando, Angelica und Medoro und die Liebesgeschichte zwischen Ruggiero und Alcina nicht aus der Literatur oder aus der Oper kennt, hat gewisse Schwierigkeiten, der Handlung zu folgen. Zur Verwirrung trägt noch bei, dass die weiblichen Rollen doppelt besetzt sind  und dass, wenn ich das richtig begriffen habe, abwechselnd gesungen wird. Doch ich will nicht an der Regie herummäkeln. Im Prinzregententheater – das sage ich noch einmal – wurde am gestrigen Abend einfach wunderschön gesungen und musiziert, und die paar Defizite in der Inszenierung sind da nur eine quantité negligeable. Wir sahen die Vorstellung am 18. November. Die Premiere war am 9. November 2009.