Unter Hollywood Gangstern und Serienhelden. Tobias Kratzer inszeniert Lucio Silla am Théâtre de la Monnaie in Brüssel

Von der römischen Geschichte und ihren Bürgerkriegen, vom Kampf zwischen Marius und Sulla, von der Verbannung der zur Marius Partei gehörenden Oppositionellen, vom – so will es das Libretto – Versuch des Diktators Sulla, die Tochter seines verstorbenen Rivalen Marius zu ehelichen, von der scheinbar so generösen Abdankung des Diktators und damit auch vom gattungsbedingten lieto fine, von all dem wiil die Regie nichts wissen.

Die Episode aus der Geschichte Roms, den Bürgerkrieg und den blutigen Streit der politischen Rivalen reduziert sie auf deren Grundstruktur. Und diese Grundstruktur ist eine Gangstergeschichte, ein Krieg zwischen zwei miteinander verfeindeten Verbrechersyndikaten, die um die Macht streiten, ein Kampf, in dem die unterlegene Partei – hier in der Person der Giunia, der Tochter und Erbin des Unterlegenen, um keinen Preis sich dem Sieger unterordnen will.

Episoden aus dem alten Rom in das heutige amerikanische Gangstermilieu zu transponieren, das ist auf den ersten Blick nicht sonderlich neu. (In La coronazione di Poppea gehört es beinahe zum Standardansatz). Originell wird diese Transponierung indes, wenn sie sich nicht mit der Aktualisierung der Grundstruktur begnügt, sondern die so gewonne aktualisierte Version in ein anderes Medium versetzt, im konkreten Fall in die fiktive Welt der Gangsterfilme und der amerikanischen Fernsehkrimis, wie zum Beispiel der Fargo-Serie. Nicht genug damit. Angereichert wird dieses Klischee Material noch mit Verweisen auf das Hitchcock Ambiente, auf die Mode der Horrorfilme und auf den Totenkult der Gothics oder gar auf Graf von Krolock?… → weiterlesen