‚Traumspiel‘ mit Händel Sound. Radamisto im Theater an der Wien

Grandios musiziert und dirigiert, brillant gesungen – dürftig die Szene und die Regiekonzeption.  In dieser Beurteilung  des Wiener Radamisto sind sich alle einig, von der FAZ bis zur Kronenzeitung. Bei aller Achtung vor der Kompetenz, der Erfahrung, dem ästhetischen Bewusstsein der renommierten Kritiker – hier bin ich nicht mit ihnen einverstanden. Auch wenn es wohl zum guten Ton gehört, vor der Kunst des so viel gerühmten Musikers und Musikwissenschaftlers René Jacobs sich ehrfürchtig zu verneigen, sollte man sich doch ein wenig kritische Distanz bewahren. Keine Frage, dass  die Fassung, die der Musikologe zusammengestellt hat, kohärent und stringent ist, keine Frage, dass der Maestro mit dem  Freiburger Barockorchester in höchster Perfektion musiziert, keine Frage, dass auf der Bühne – allen voran  David Daniels in der Titelrolle – brillant gesungen wird. Und doch schien mir etwas zu fehlen. Ich kann es nicht benennen.  Vielleicht ist es gerade diese höchste Perfektion, die dem Kunstwerk etwas von seiner ‚Aura‘ nimmt, diese Perfektion,  die, so schien es mir, letztlich kalt und emotionslos ist.  Mögen die Bühnengestalten auch in ihren Affekten schwelgen. Ihre Emotionen  kommen letztlich nicht  herüber. Sie lassen den Zuhörer eher kalt, und es entsteht  im Laufe des Abends ein Gefühl der gepflegten Langeweile und einer sich langsam steigernden Müdigkeit.… → weiterlesen