Ein narzisstischer Jammerlappen im Plattenbau und auf der Skipiste – oder ich schrieb auf meinen Bauzaun so manchen süßen Traum
Waltraud Lehner inszeniert in der Staatsoper Stuttgart Eugen Onegin als sentimentalen romantischen Kitschroman – und parodiert ihn gleich mit
Wer die grandiose Schwulenoper, die in der Bayerischen Staatsoper als Eugen Onegin zu sehen ist, noch in Erinnerung hat, dem wird der Stuttgarter Onegin trotz aller Aktualisierungsversuche nur öd und leer, bieder und konventionell vorkommen – zumindest auf den ersten Blick. Abgedroschene Romantik pur mit schwärmerischen kleinen Jungmädchen, einem Dichterling und einem unsäglichen Jammerlappen in der Hauptrolle, der im ersten Akt den blasierten Jungmann und im letzten Akt eine Art Wertherverschnitt mimt und den die einstmals Verschmähte und jetzt so sehr Begehrte erledigt und vernichtet. Nichts von Freundeskult oder Männerfreundschaft und schon gar nichts von schwuler Liebe, nur simples unglückliches Verliebtsein. Zwar ist es ein hübscher Einfall, aus Larinas Gutshof und Garten einen Plattenbau und eine Baustelle zu machen, die beide – so signalisieren es die bunten Prospekte der Baufirma – in eine mediterrane Villa mit luxuriösem Pool verwandelt werden sollen. Konsequent in diesem Kontext ist es, dass die vom Lektüreschaden gebeutelte Tatjana ihre Liebeserklärung an die Bauzäune und auf die Parkbank schreibt und dass der arrogante Onegin, der in einer Art Existentialistenoutfit auftritt, die Papierchen vom Bauzaun einfach nur abzureißen und die Parkbank abzuwischen braucht, um das Mägdelein von sich zu stoßen.