Nazikeule gegen Wagnerrausch. Olivier Py sucht den Lohengrin zu erschlagen und scheitert an sich selbst – berauscht von dunkler deutscher Geschichte und schwerem Wagner-Trunk. Lohengrin am Théâtre de la Monnaie in Brüssel

In Brüssel ist eine seltsame Wagner-Aufführung zu erleben. Da schwelgt das Orchester unter der Leitung von Alain Altinoglu in romantisch gefühlvollen Klängen und breitet den berüchtigten ‚Klangteppich‘ aus, da wirkt die Musik so narkotisierend, dass einem gleich wieder Nitzsche einfallen muss: das Lohengrin-Vorspiel, das „nur zu verfängliche, nur zu gut geratene Beispiel dafür, wie man auch mit Musik hypnotisiert.“ Auf der Bühne ein durchweg erstklassiges Ensemble. Zwar kein überirdisch singender, sondern ein mehr baritonaler Lohengrin (Eric Cutler), keine traumverlorene, sondern eher eine energische Elsa (Ingela Brimberg), keine hexenhafte, sondern eine mit Stimme und Bühnenerscheinung die Szene beherrschende Ortrud (Elena Pankratova).

Von der Musik her waren alle Voraussetzungen für einen großen Wagner-Abend gegeben, ja wenn nicht die Inszenierung so sehr dagegen gesteuert hätte, wenn Theatermacher Py sich nicht vorgenommen hätte, Wagner mit der Antisemitismus-Keule (vulgo Nazikeule) zu erschlagen und dabei von der Wagner-Droge berauscht worden wäre. Eine Droge, die ihn nur noch stammeln ließ: „Et la musique? Ah, la musique!“ und von „der Nacht des Leidens“ und „der Erfüllung des Menschseins“, die angeblich Wagners Musik bewirke, schwadronieren ließ – im Programmheft wohlgemerkt.

Monsieur Py, der in Paris wie in Avignon hoch geschätzte Prinzipal, der von den Fans der Grand-Opéra Spektakel verehrte Regisseur, trägt schwer an der Last  dunkler deutscher Geschichte. Wagners antisemitische Schriften und die Handbuchweisheiten, die eine geheime unterirdische Verbindung zwischen deutscher Romantik und Nazi-Ideologie propagieren und Wagner mitten drin sehen, müssen bei ihm geradezu einen Lektüreschaden, wenn nicht gar ein Trauma bewirkt habe… → weiterlesen

Theater im protestantischen Gemeindesaal oder doch ’fiktionale Wirklichkeit‘? Olivier Py inszeniert einen szenisch recht heterogenen Fliegenden Holländer in der Urfassung am Theater an der Wien

Das Programmheft liefert gleich auf der ersten Seite die Gebrauchsanweisung: „Senta, die Tochter des Kaufmanns Donald, ist tot. Sie war einem Fremden  gefolgt, den ihr Vater für sie als Bräutigam mitgebracht hatte – für ihn glaubte sie sterben zu müssen, um ihn zu erlösen. War das Wahn oder Wahrheit? Oder nur Theater?“

Die freundliche pädagogische Anleitung zum Verständnis der Inszenierung – wir spielen Theater auf dem Theater und lassen das Geschehen zwischen Traumgespinst und ‚Realität‘ oszillieren –  unterschlägt gleich zwei wesentliche Aspekte der Inszenierung. … → weiterlesen