Programmierter Scheidungsprozess im ungeschriebenen dritten Akt? Così fan tutte am Theater Freiburg im Breisgau

Sagen wir es gleich. Es überrascht angenehm, dass ein mittelgroßes Haus wie das Freiburger Theater über ein so hoch qualifiziertes Ensemble von Mozartsängern verfügt. Hier singen, um nur zwei herausragende Beispiele zu nennen, Kim-Lillian  Strebel als Fiordiligi und Konstantin Lee als Ferrando so brillant Mozart, wie man es selten hört und alle anderen Mitwirkenden stehen diesen beiden nur wenig nach. Das Orchester spielt schwungvoll und leicht. Und die Inszenierung? Sie macht leider wenig Sinn und verschenkt noch dazu ihre Möglichkeiten.

Alfonso und Despina hbent während der Gerichtsferien einen Verhandlungssaal gemietet und laden zwei junge Paare  zum Karnevalsspiel ein. Sie sollen wohl eine Komödie aus dem 18. Jahrhundert, eben Così fan tutte, nachspielen. Und so rauschen die vier jungen Leute, alle wohl schon ein wenig angetrunken, gleich halb kostümiert herein und stürzen sich, die Männer begeistert, die Frauen eher skeptisch,  ins Vergnügen.

Ein schöner, ein Erfolg versprechender Ansatz für ein Metatheaterspiel. Doch leider nutzt die Regie die Möglichkeiten des Metatheaters kaum oder eher gar nicht. Auch der Verhandlungssaal hat keinerlei Funktion. Die Gerichtsverhandlung, die man für das Finale erwarten könnte, findet gar nicht statt. Die Paare laufen frustriert auseinander? Ober bleiben sie ganz im Sinne der Musik in der neuen Konstellation? Soll der Zuschauer vielleicht im ungeschriebenen dritten Akt ein Urteil in diesem Sinne abgeben? Oder soll er es mehr mit Ponnelle halten, der vor vielen Jahren einmal im Gespräch mit Imre Fabian das lieto fine sarkastisch kommentierte: „Sicher wird Fiordiligi an der Seite von Guglielmo frigid bleiben, weil sie voller Sehnsucht an Ferrando denkt. Guglielmo wird sie andauernd  betrügen. Ferrando wird an der Seite Dorabellas wahrscheinlich impotent, und Dorabella wird ihm nicht nicht treu bleiben“. (vgl. Imre Fabian, Im Gespräch mit J.P. Ponnelle. Ein Opernwelt-Buch, Zürich 1983, S. 96) . Von all diesen Möglichkeiten sieht man auf der Szene nichts.  Hier geht es ganz, abgesehen von ein paar kleinen Mätzchen, konventionell zu, eben so, wie wir das schon viele Male gesehen haben. Ja, warum auch nicht. Zumindest hat die Regie die Musik nicht gestört.

In Freiburg haben wir einen sehr schönen, musikalisch sehr niveauvollen Mozartabend erlebt. Fern aller Welt – in der heiteren Welt der Kunst. Von Panik und Gemetzel in der Wirklichkeit, in München, haben wir erst nach der Vorstellung erfahren.

Wir sahen die Aufführung am 22. Juli 2016. Die Premiere war am 28. Mai 2016.