Da sage man nicht, die renommierten Festspiele seien dem zeitgenössischen Musiktheater nicht aufgeschlossen. Ganz im Gegenteil. In diesem Jahr steht die zeitgenössische englische Oper im Zentrum des Interesses. Bei den Münchner Opernfestspielen war als Übernahme aus Aix-en-Provence und Amsterdam in einer höchst brillanten Inszenierung George Benjamins Written on Skin zu sehen und zu hören. Ein Stück, das auf einem hybriden Libretto aus mittelalterlicher Herzmäre, Mysterienspiel und modernem Metatheater beruht und in seiner Musik wohl dem modernen englischen Klassiker Britten nahe steht (Wir sahen Written on Skin in Amsterdam). In Salzburg ist man weit ehrgeiziger. Da muss es mit der Neuinszenierung von Birtwistles Gawain statt eines Kammerspiels gleich ein großes Opernspektakel im Ambiente der Felsenreitschule sein. Große Oper mit einem dreigeteilten Riesenorchester, einem Großaufgebot an Sängern und Schauspielern, mit Videoeinspielungen, mit Hunden und Schrottautos, Rollstuhl, Reiterstatue, Motorsäge und Hackebeil, vermoderter Tafel und Särgen, einem überdimensionalen Beuys Porträt, mit Beuys Zitaten und einem Beuys Outfit für den Hauptdarsteller.
Bühne, Libretto und wohl auch die Musik (soweit die simple Opernbesucherin das heraushören kann) sind ein Sammelsurium, ein Gemischtwarenladen, ein Ansammlung von Zitaten aus dem Bücherregal und der Musiktruhe des wohl situierten Bildungsbürgers. Erzählt wird eine „mittelenglische Romanze“, genauer: eine Aventüre aus dem Artus-Zyklus: Ausfahrt, Bewährung, Sieg und Rückkehr des Ritters Gawain. In Szene gesetzt wird die Initiationssreise, die Initiationsweihe des Künstlers Beuys, der mit seinen Worten und Werken auf Unverständnis trifft, von Gegnern und Anhängern vernichtet wird und doch deren Vorbild bleibt.… → weiterlesen