Den Don Carlo hatte ich vor gut dreiJahren schon mal in München gesehen – und fand ihn schrecklich. Doch wenn Stars wie die Harteros und Keenlyside in München auf der Bühne stehen, da muß man halt zur Kompensation Herrn Roses Arbeiten in Kauf nehmen. Ja, wenn man sich auf eine historisierende Aufführung im Stil des 19. Jahrhunderts, im Stil der französischen großen Oper einlassen mag, dann ist das, was Rose präsentiert, sehr schön, sehr grandios, sehr einfältig. Keine Spur von Ironie, von Distanz gegenüber einem so abgegriffenen Sujet, dieser kolportagehaften Mischung aus Liebe, Leidenschaft, Eifersucht, Freundschaft, Staatsaktion, Antiklerikalismus und katholischem Spanien. Rose lässt kein Klischee der España Sagrada aus, und alles ist so, wie es sich ein progressiver Protestant, der seinen Schiller noch von der Schule her kennt, vorgestellt hat: die allmächtige Inquisition, verkörpert in der Person des greisen, blinden Kardinals und Großinquisitors, vor dem selbst der König zittert, die Ketzerverbrennungen als öffentliches Spektakel – garniert mit den Bilderwagen, den „pasos“ aus der „Semana Santa“ in Sevilla, die Vernichtung jeglichen Ansatzes einer España liberal durch das ideologische Gewaltmonopol der Kirche, die spanischen Kostüme, die unterdrückte Sexualität, die Zurbarán und Valdés Leal Bilder, deren düstere Farben die Lichtregie den ganzen Abend über zitiert, das Zurbarán Bildzitat schon auf dem Zwischenvorhang, das riesige Kreuz als Dauerrequisit. Das landläufige Opernpublikum ist begeistert. Ich finde es schrecklich. Was hätte man daraus mit nur einem bisschen Aktualisierung doch alles machen können. Statt dessen präsentiert sich München als Opernmuseum. Diese musealen altbackenen Opernaufführungen, an denen sich wie hier im Fall des Don Carlo ein Theatermann, der seit einem halben Jahrhundert im Geschäft ist, noch einmal so richtig austoben kann, sind eigentlich der Tod der Gattung. Aber das Publikum mag’s halt. Metropolitan Opera Stil in München. Antiquiertes Dekorationstheater. Wir sahen die Aufführung am 17. Januar 2010.