Das Leben ein Todestraum. Christof Loy inszeniert Henze, Der Prinz von Homburg im Theater an der Wien

Traumtheater im doppelten Sinne erlebt der Zuschauer im kleinen Haus an der Wien, dem avantgardistischen Opernhaus, das mit seinen brillanten Inszenierungen, die allesamt im Stagione Betrieb nur wenige Male gezeigt werden, der so behäbigen Staatsoper  mit ihren oft Jahrzehnte alten verstaubten Inszenierungen Konkurrenz macht. Wenn Loy die Mär vom träumenden Prinzen, der Ruhm und Liebe, Todesangst und Tod als Traum erfährt, inszeniert, Kleists Schauspiel, das Ingeborg Bachmann einst für Henze als Libretto eingerichtet hatte, dann erlebt der Zuschauer in der Tat Sternstunden, Traumstunden des Theaters. Man muss Loys Minimalismus nicht unbedingt mögen. Aber hier im Prinzen von Homburg, wenn er den Protagonisten in einen Betonbunker einschließt, ihn also im Wortverstande vor der Welt verschließt und alle Mitspieler nur in dieser geschlossenen Welt agieren lässt, dann trifft der Minimalismus ins Zentrum des Geschehens. Was wir sehen, das ist eine „Geschlossene Gesellschaft“, die beinahe im Sinne von Sartres „Huis-clos“ den Außenseiter quält und sich selber dazu. Was wir auf der Bühne sehen, das ist ein Traumspiel, das keine Requisiten braucht, wo alles Geschehen sich gleichsam in der Imagination des Prinzen ereignet, ein Traumspiel, das für den Protagonisten immer mehr zum Albtraumspiel wird, aus dem er nicht mehr heraus findet. Und ein gleiches geschieht dem Zuschauer. Wenn zur berühmt-berüchtigten Schlusssentenz: „In den Staub mit allen Feinden Brandenburgs“, die Decke des Bunkers sich ein Stück öffnet, ein Lichtschein auf den Prinzen fällt und dieser inmitten von Fahnen am Boden liegt, erfährt er dann die berühmte Kleistsche Ohnmacht oder endet er als Feind Brandenburgs, erschossen, weil es das Gesetz der Militärkaste, die keine Individualität, keine Genialität, keinen Traum duldet, so befiehlt? Das Gesetz – so suggeriert uns die Regie, wenn sie die Akteure vom zweiten Akt an in heutiger Alltagskleidung auftreten lässt – einer allzeit auftretenden Machtclique.  Ein offner Schluss, der den Zuschauer eher ratlos lässt. Bei aller Intellektualität, aller Souveränität, die die Regie auszeichnet, darf man nicht vergessen, dass ihr für die Rolle des Protagonisten ein absolut brillanter Sängerschauspieler zur Verfügung stand. Christian Gerhaher ist offensichtlich die Idealbesetzung für den träumenden, melancholischen, nur auf sich selbst bezogenen Prinzen von Homburg. Wie der Sänger in Spiel und Gesang diese Rolle gestaltet, das ist einfach bewundernswert. Ein großer Opernabend im Theater an der Wien. Wir sahen am 14. November die zweite Vorstellung der Produktion. Die Premiere war am 12. November.