Il ritorno di Lady Diana (e di Grace Kelly) in patria. Händels Admeto an der Oper Leipzig

Die Oper Leipzig, in der wir in der vergangenen Saison einen ungewöhnlich herausragenden Parsifal und einen ungewöhnlich dürftigen Don Giovanni gesehen haben, hat in der jetzt laufenden Saison mit Händels Admeto, Re di Tessaglia vom Jahre 1727 wieder eine High Light Produktion im Programm, eine Produktion, die das Libretto auf eine ganz neue und eine ganz überraschende Weise variiert. Hatten Händels Librettisten den Alkestis Mythos (Alkestis kann mit ihrem Tod den Gatten Admeto vor dem Tod retten  und wird von Herkules aus der Unterwelt zurückgeholt) schon um eine Rivalitäten- und Eifersuchtskomödie erweitert, geht das Leipziger Produktionsteam noch einen Schritt weiter, macht aus der Admeto Oper vollends eine Soap Opera und setzt auf diese noch eine Pointe aus der Welt der Fernsehkrimis. Ort des Geschehens ist nicht mehr ein fernes unbestimmtes Thessalien, sondern der Palast der Windsors (vulgo: der Royals). König Admeto erinnert in seinem graublauen Zweireiher an einen bekannten englischen Prinzen. Königin Alkestis ist eine Mischung aus Prinzessin Diana und Grace Kelly. Der arme Admeto ist nicht mehr das Opfer einer mysteriösen Krankheit, sondern das Opfer eines Giftmordanschlags (ein Maskierter hat ihm zur Hochzeitsnacht – zur Ouvertüre – Gift in seinen Whisky geschüttet), und der Opfertod der Alkestis  ist ein (als Selbstmord   getarnter?) Autounfall. Und jetzt als wir das Dröhnen eines schweren Wagens aus dem Off   der Bühne hören, da wissen auch die im Publikum, die in Kostüm und Maske der Alkestis noch nicht die beiden Diven wieder erkannt haben, welchen Mythos die Regie eigentlich in Szene setzen will. Auch für den tüchtigen Herkules, der  in Leipzig so gar nichts von einem Helden hat, sondern eher an einen Taxifahrer mit arabischem(!) Migrationshintergrund erinnert, hat das dortige Team eine neue dramatische Funktion erfunden, die so ganz den Schemata aus Fernsehkrimi und Soap Opera entspricht: Herkules darf zwar immer noch im Kampf mit den Mächten der Unterwelt – in Leipzig sind diese die der Ahnengalerie entstiegenen einst mächtigen Könige – Alkestis befreien – und diese seltsamerweise wild abknutschen. Ein Rätsel, das sich im Finale löst. Herkules war der geheimnisvoll Maskierte, der Attentäter, der dem König zur Ouvertüre Gift in den Whisky und zum lieto fine Gift in den Wein geschüttet hat. Schade nur, schade für Herkules, dass dieses Mal auch die gute Alkestis zum Glas gegriffen hat. Herausgekriegt hat das ganze, wie es sich für eine englische Krimiserie gehört, natürlich Miss Marple (in der Oper la terza donna, ein gewisser Orindo). Und das Motiv? Natürlich Eifersucht. Der Herkules wollte halt die Alkestis, und die wollte halt nur  den Admeto. Und die Folgen sind fatal, nein letal – ganz so wie wir das  aus den unzähligen Dreiecksgeschichten kennen. ‚Glücklich’ sind  am Ende nur der secondo uomo und die seconda donna. Sie kriegen sich und die Krone und dürfen im Schlussbild im Windsor Ornat posieren. So gibt es denn  in Leipzig entgegen dem Libretto und entgegen der Musik nur ein halbes lieto fine. Doch zum Ausgleich dafür eine höchst unterhaltsam und noch dazu spannend in Szene gesetzte Version einer Händel Rarität. Und gesungen und musiziert wurde auf hohem Niveau. Und nicht nur Musik von Händel wurde geboten: als Kontrast zum alten Händel spielt auf der Szene  auf „Melodica“ Instrumenten, „Blasinstrumenten aus der Gattung der Harmonicas“, das ATEF Ensemble. Welche Musik sie gespielt haben, das weiß ich nicht. Vielleicht Variationen aus Grace Kelly Filmen, gemischt mit Soundtracks aus Kriminalfilmen? Ich weiß es nicht. Und das Männerquintett musizierte nicht nur. Es spielte gleich mit und mimte mal die schrecklichen Mediziner am Krankenbett des Admeto, mal die Todesboten für Alkestis, mal Draculas aus der Ahnengalerie, mal die lustigen Säufer auf dem Müllkippe, mal die Köche und Kellner bei des Königs letztem Mahle. Zur Tragödie und zur Komödie, zur Soap Opera und zum Krimi gehört halt auch die Groteske. Und wohl auch das Satyrspiel.

Die Leipziger Oper ist wieder eine Reise wert. Und wenn dann wie am letzten Wochenende am nächsten Abend das Gewandhausorchester zusammen mit erstklassigen Solisten Das Rheingold (konzertant) aufführt? Ja, dann gilt erst recht: Leipzig ist eine Reise wert. Wir sahen die Vorstellung am 23. April 2010, die dritte Aufführung. Die Premiere war am 19. März 2010.