Ein glühend heißer Tag in Freiburg. Im Opernhaus auch am Abend noch Saunatemperaturen. All dies stört Akteure und Musiker anscheinend nicht im Geringsten. Das Philharmonische Orchester Freiburg spielt unter der Leitung von Julia Jones einen Händel der Extraklasse -melancholisch und temperamentvoll, ganz wie es die jeweilige dramatische Situation gebietet. Die Streicher – so erfährt man im Programmheft – musizieren mit „Barockbögen“. Ein Grund – vielleicht – für den so ungewöhnlichen ‚Schönklang‘. Oder wie will man diesen Klang nennen? Die Musikfeuilletonisten werden es wissen – vielleicht. Doch ergehen wir uns nicht in Feuilletonlyrik. Sagen wir einfach: es hat mir gefallen, es hat mich beeindruckt, wie in Freiburg Händel zelebriert wird.
Und das gleiche gilt für die Akteure auf der Bühne. Wie Xavier Sabata den Orlando sang und gestaltete, wie sein so wunderschöner, so klarer Countertenor so leicht und so scheinbar mühelos den Raum füllte, wie seine Stimme die ganze Skala der Affekte durchzuspielen, Liebe, Schmerz, Raserei zu gestalten wusste, das ist einfach grandios. Ich hatte Xavier Sabata schon in kleineren Rollen gehört – zuletzt in Bad Lauchstädt im Rahmen der diesjährigen Händelfestspiele – und seine Kunst bewundert. Doch an diesem Abend in Freiburg als Orlando da hat er als Sänger und Schauspieler sich geradezu selbst übertroffen. Da war er faszinierend und wurde zu Recht von einem Publikum, das alle Müdigkeit vergessen hatte, begeistert gefeiert. Das soll nicht heißen, dass alle anderen Rollen nicht angemessen besetzt waren. Doch an diesem Abend überragte sie Orlando alle.
Und die Inszenierung? Ich muss gestehen, ich habe die Konzeption, wenn es denn eine gab, nicht verstanden: ein Einheitsbühnenbild, auf der Drehbühne ein birnenförmiges stählernes Gerüst, das zu Turnübungen einlädt. Ein Cembalo, vor dem gelegentlich ein Musiker im Barockkostüm sitzt. Nach der Pause fungiert das Cembalo als Blumenkasten. Statisten, offensichtlich mit Balletterfahrung, die mal Unterweltgeister, mal sanfte exotische Zootiere mimen. Der Magier, eine Mischung aus protestantischem Pastor und fernöstlichem Guru. Sind der Magier, das Stahlgerüst, die Tiere, vielleicht auch Angelica und Medoro, nur Phantasie- und Wahngebilde eines Orlando furioso? Ist dieser Orlando, wie er da barfuß im weißen Sommeranzug auf der Bühne herumirrt, vielleicht Patient in einem Sanatorium? Tritt deswegen Dorinda als Krankenschwester auf? Sind Angelica, die mit halber Gesichtsmaske auftritt und der knabenhafte Medoro vielleicht Figuren aus der commedia dell’arte, eben Wiedergänger der Verliebten, der Innamorati? Ist dieser so verliebte Medoro vielleicht androgyn? Oder ist das Liebespaar vielleicht lesbisch? Fragen, auf die Theatermacher Joachim Schlömer, von dem wir vor Jahren einmal eine brillante Inszenierung von Les Troyens in Stuttgart gesehen haben, keine Antwort geben will.
Doch warum wollen wir unbedingt nach einer anspruchsvollen Grundkonzeption suchen. Sagen wir einfach: wir sahen ein Märchenspiel, hörten und sahen brillante Sängerschauspieler, hörten virtuos gespielte Musik und erlebten in einem mittelgroßen Haus einen schönen – leider zu stark gekürzten Händelabend.
Wir besuchten die Aufführung am 19. Juli 2015. Die Premiere war am 12. Juli 2015.