Noch einmal Die Meistersinger von Nürnberg in der Inszenierung von Andrea Moses, eine Produktion, die wir schon vor Jahren noch im Schiller-Theater gesehen hatten. Natürlich lässt der alte Maestro Barenboim, den ich ob seiner so zur Schau getragenen Arroganz nicht unbedingt mag, einen wundersamen Wagner spielen, sanft und zurückhaltend und ohne das sonst so übliche Gedröhne, melancholisch und so ganz von Altersweisheit bestimmt – so würden wohl die Feuilletonlyriker jubeln. Und das zu Recht.
Altersweisheit schützt wohl auch die Regie vor, wenn sie die Rollen der kleinen Meister mit uralten ehemaligen Stars besetzen lässt, mit verdienstvollen Greisen, die man etwas taktvoller den neugierigen Blicken des Publikums hätte aussetzen sollen.
Ein Glück nur, dass mit Wolfgang Koch die Rolle des Hans Sachs so brillant besetzt war, so dass man das Sängeraltenheim schnell vergaß. Wie Koch den für alles Neue aufgeschlossenen, scheinbar so volkstümlichen Künstler und Intellektuellen, der scheinbar ein biederer Handwerker ist, der trotzdem hin und wieder einen Joint nicht verschmäht, singt und spielt, das ist schon große Klasse. Eine Leistung, die man nur bewundern kann.
Wie es mir schon mit so mancher Meistersinger Aufführung erging, so erging es mir jetzt auch wieder in Berlin. Wie seltsam. Orchester und Sänger brauchen zwei Aufzüge, bis sie so richtig zu großer Form auflaufen. Sei’s drum.
Trotz der so biederen, recht abgespielten Inszenierung war es schöner Abend. Eine Aufführung allerdings, die nicht im Entferntesten mit den Bayreuther Meistersingern zu vergleichen ist, die wir vor zwei Jahren hörten und sahen. Mit Verlaub gesagt: ein bisschen mehr hatte ich eigentlich an Festtagen in der Staatsoper unter den Linden erwartet.
Eine ‚Komödie für Musik‘ gab es auch ein paar Tage später. Dmitri Tcherniakov inszenierte eine Rarität von Prokofjew: Die Verlobung im Kloster und machte daraus einen Opernworkshop mit Stellprobe. Eine Grundkonzeption, die nicht jedermann zufrieden stellte.
Wer sich eine Buffa in Kostümen des 18. Jahrhunderts oder zumindest ein andalusisches Kostümfest erhofft hatte, der war enttäuscht und gelangweilt. „Die Märchenspiele bei uns zu Hause in der Burgruine sind doch viel besser als dieser Kram hier“, verkündete ein Herr in der Reihe hinter mir lautstark und kehrte nach der Pause nicht wieder – und so mancher tat es ihm gleich.
Wer blieb, der hatte seinen Spaß. Wer Metatheater, Parodie, Selbstironie, Komödie, die sich bis zur Klamotte steigern kann, mag, der erlebte einen höchst vergnüglichen Abend, der hatte seinen Spaß an diesem schwungvollen und witzigen Spiel, das Tcherniakov mit leichter Hand in Szene gesetzt hatte. Pardon, eine Szene gab es ja eigentlich gar nicht. Inmitten von scheinbar wahllos herumstehenden Theatersesseln spielen Opernsänger und Opernsängerinnen in Alltagskleidung Opernsänger, die in einem Workshop eine Oper einstudieren und sich dabei über sich selber und die Kollegen lustig machen. Anders ausgedrückt: ein spielfreudiges Ensemble parodiert Operntypen und Operngesten. Und dies alles auf der Grundlage einer Buffa, deren immanente Komik bis hin zur Groteske gesteigert wird. Und für all dies braucht man weder Kostüme noch Dekor – bis auf das Finale 2. Da treten zum großen Fest alle nur möglichen und unmöglichen Operngestalten in ihren Kitschkostümen auf und formen ein Tableau Vivant. Prokofjew, der auch selber das Libretto schrieb, Theatermacher Tcherniakov und seine Sängerinnen und Sänger wollten wohl auf Rossini und seine Buffa-Manier noch eins drauf setzen. Ich glaube, es ihnen gelungen.
Wir besuchten die Aufführung der Meistersinger am 18. April und Die Verlobung im Kloster am 22. April 2019.