Festtage 2019 an der Staatsoper unter den Linden. Das eine abgespielt. Das andere das Touristenpublikum verschreckend. Die Eintrittspreise exorbitant

Noch einmal Die Meistersinger von Nürnberg in der Inszenierung von Andrea Moses, eine Produktion, die wir schon vor Jahren noch im Schiller-Theater gesehen hatten. Natürlich lässt der alte Maestro Barenboim, den ich ob seiner so zur Schau getragenen Arroganz nicht unbedingt mag,  einen wundersamen Wagner spielen, sanft und zurückhaltend und ohne das sonst so übliche Gedröhne, melancholisch und so ganz von Altersweisheit bestimmt – so würden wohl die Feuilletonlyriker jubeln. Und das zu Recht.

Altersweisheit schützt wohl auch die Regie vor, wenn sie die Rollen der kleinen Meister mit uralten ehemaligen Stars besetzen lässt, mit verdienstvollen Greisen, die man etwas taktvoller  den neugierigen Blicken des Publikums hätte aussetzen sollen.

Ein Glück nur, dass mit Wolfgang Koch die Rolle des Hans  Sachs so brillant besetzt war, so dass man das Sängeraltenheim schnell vergaß. Wie Koch  den für  alles Neue aufgeschlossenen, scheinbar so volkstümlichen  Künstler und Intellektuellen, der scheinbar ein biederer Handwerker ist, der trotzdem hin und wieder einen Joint nicht verschmäht, singt  und spielt, das ist schon große Klasse. Eine Leistung, die man nur bewundern kann.

Wie es mir schon mit so mancher Meistersinger Aufführung erging, so erging es mir jetzt auch wieder in Berlin. Wie seltsam. Orchester  und Sänger brauchen zwei Aufzüge, bis sie so richtig zu großer Form auflaufen. Sei’s drum.

Trotz der so biederen, recht abgespielten Inszenierung war  es schöner Abend. Eine Aufführung allerdings, die nicht im Entferntesten  mit den Bayreuther Meistersingern zu vergleichen ist, die wir vor zwei Jahren hörten und sahen. Mit Verlaub gesagt: ein bisschen mehr hatte ich eigentlich an Festtagen in der Staatsoper unter den Linden erwartet.

Eine ‚Komödie für Musik‘ gab es auch ein paar Tage später. Dmitri Tcherniakov  inszenierte eine Rarität von Prokofjew: Die Verlobung im Kloster und machte daraus einen  Opernworkshop mit Stellprobe. Eine Grundkonzeption, die nicht jedermann zufrieden stellte.

Wer sich eine Buffa in Kostümen des 18. Jahrhunderts  oder zumindest ein andalusisches Kostümfest erhofft hatte, der war enttäuscht und  gelangweilt. „Die Märchenspiele bei uns zu Hause  in der Burgruine sind doch viel besser als dieser Kram hier“, verkündete ein Herr in der Reihe hinter mir lautstark und kehrte nach der Pause nicht wieder – und so mancher tat es ihm gleich.

Wer  blieb, der hatte seinen Spaß. Wer Metatheater, Parodie, Selbstironie, Komödie, die sich bis zur  Klamotte steigern kann, mag, der erlebte   einen höchst vergnüglichen Abend, der hatte seinen Spaß an diesem schwungvollen und witzigen  Spiel, das Tcherniakov mit leichter Hand in Szene gesetzt hatte.  Pardon, eine Szene gab es ja eigentlich gar nicht. Inmitten von scheinbar wahllos herumstehenden Theatersesseln spielen Opernsänger und Opernsängerinnen in Alltagskleidung Opernsänger, die in einem Workshop eine Oper einstudieren und sich dabei über sich selber und die Kollegen lustig machen. Anders ausgedrückt: ein spielfreudiges Ensemble parodiert Operntypen und Operngesten. Und dies alles auf der Grundlage einer Buffa, deren immanente Komik bis hin zur Groteske gesteigert wird. Und für all dies braucht  man weder Kostüme noch Dekor – bis auf  das Finale 2.  Da treten zum  großen Fest alle nur möglichen und unmöglichen Operngestalten in ihren Kitschkostümen auf und formen ein Tableau Vivant.  Prokofjew, der auch selber das Libretto schrieb, Theatermacher Tcherniakov und seine Sängerinnen und Sänger wollten wohl auf Rossini und seine Buffa-Manier noch eins drauf setzen. Ich glaube, es ihnen gelungen.

Wir besuchten die Aufführung der Meistersinger am 18. April und Die Verlobung im Kloster am 22. April 2019.

 

 

Trash, Trash! Überall Trash! Wohin ich forschend blick. Die Meistersinger von Nürnberg. Eine dürftige Inszenierung an der Bayerischen Staatsoper

Wagners Musik hält viel aus, hält wohl alles aus. Auch eine dürftige, misslungene Inszenierung. Ja, warum, so mag Theatermacher David Bösch gedacht haben, warum soll man die Meistersinger Komödie nicht einmal im kleinbürgerlich-proletarischen Milieu in der frühen Nachkriegszeit spielen lassen. Vielleicht in Bochum oder in Gelsenkirchen, inmitten ärmlich-grauer Betonklötze, auf einem Vorplatz, auf dem der Schuster Hans Sachs seinen verbeulten Kleinlaster parkt, der ihm zugleich als Werk- und Schlafstatt dient. Die Gasse davor nutzt er als sein Wohnzimmer, das er mit paar Blümchen garniert hat. Dort schustert er, dort intrigiert er, dort jammert er, dort regelt er alles. In diesem Milieu fungiert Veit Pogner als Kleinkapitalist, und sein Töchterchen ist ein scheinbar verhuschtes katholisches Mägdelein, das der Rocker Stolzing geradewegs aus der Sankt Josephs-Prozession, auf der man seltsamerweise protestantische Choräle singt, heraus-  und in einen Bierwagen hineinzieht. Keine Angst! Es passiert nichts. Rocker Stolzing ist ein anständiger Rocker, der sich, wie wir noch aus anderen Inszenierungen wissen, das Mädchen ersingen wird. Überdies kommt noch die Freundin Magdalene vorbei – auch sie im züchtigen, altjüngferlichen Kleid – und stört das beginnende Liebesspiel.… → weiterlesen