Marionettentheater mit konzertanten Einlagen. Oberon im Theater Freiburg

Nach dem Salome Desaster hatte ich eigentlich vom Freiburger Opernhaus genug und wollte meine Karte verfallen lassen. Doch der Oberon ist eine solche Rarität auf den Opernbühnen, und Webers Musik, die ich vor einem Jahr bei einer konzertanten Aufführung in München gehört hatte, ist so romantisch schön, dass ich trotz aller Bedenken noch einmal nach Freiburg gefahren bin. Und dieses Mal hat es sich gelohnt. So misslungen die Salome war, so gelungen ist jetzt der Oberon. In Freiburg setzt man keine „romantische OFeenoper“ in Szene, versucht sich erst gar nicht am Dekorationstheater oder gar an einer Ausstattungsrevue, wie es das Libretto hätte nahe liegen können. In Freiburg spielt man die neue Textfassung von Martin Mosebach, die die Handlung auf den Streit zwischen Oberon und Titania um ihre beiden Spielfiguren, den fränkischen Ritter und die babylonische Prinzessin und deren beider Standfestigkeit, reduziert und versetzt die Zuschauer, einer Anregung Mosebachs folgend, in die Welt des sizilianischen  Marionettentheaters, in das „Teatro dei Pupi“, in dem die Ritter aus dem Frankenland gegen die Sarazenen kämpfen und die Prinzessinnen befreien. Eine konsequente Entscheidung, denn in der Tat ist das sich streitende Elfenpaar nur ein Puppenspielerpaar, das ganz im Wortverstande die Puppen tanzen lässt, mit Menschen wie mit Marionetten spielt und mit deren Gefühlen experimentiert. So kämpfen und lieben und leiden denn Marionetten auf der Bühne. Und konsequent ist es weiterhin, den Streit des ‚hohen Paares’ als Sprechtheater zu geben, von Schauspielern spielen zu lassen, mit der Folge, dass die Rollen des Oberon und der Titania doppelt besetzt sind, jeweils von einem Sänger und einem Schauspieler. So sieht man denn in Freiburg ein so genanntes ‚hybrides’ Theater, ein Theater, in dem Schauspiel, Puppenspiel und Oper  sich überlagern und überkreuzen und in dem die Oper letztlich zur Schauspielmusik wird oder, wenn so will, auf der Strecke bleibt. Die Sänger spielen nie mit – eben weil an ihrer Stelle die Marionetten agieren. Sie stehen im Wortverstande am Rande und singen von dort aus ihre Arien. Nur der Chor spielt mit und mimt mal die Haremswächter, mal die Meeresungeheuer, die den Sturm entfachen, mal den Hofstaat der Elfenkönige. Doch vor allem spielt er – in Alltagskleidung und nur eben angedeuteter Kostümierung –  Theater auf dem Theater. Alles ist nur Theater: ein Spiel der Marionetten, das den Spielleitern Oberon und Titania schließlich aus den Händen gleitet: am Ende müssen sie ihre Puppen, den Ritter und seine Prinzessin und das Dienerpaar, die indes nicht zu Menschen, sondern zu Popanzen aus dem Harem mutiert sind, ziehen lassen. Die Puppenspieler sind – wiederum im Wortverstande – ohnmächtig geworden. In Freiburg weiß man, wenngleich ich schon mehrmals  alle Hoffnung fahren lassen wollte, noch immer Theater zu spielen, unterhaltsames und gekonntes, anspruchsvolles und geistreiches Theater. Wir sahen die Vorstellung am 27. Dezember 2009. Die Premiere war am 7. November 2009.

Der Bademeister, das Girlie und Napoleon im ägyptischen Zeltlager. Eine verhunzte Salome im Theater Freiburg

Mit den kleinen Häusern, wenngleich sie manchmal Beachtliches leisten, muss man Nachsicht üben – allerdings nur bis zu einer bestimmten Grenze. In Freiburg hat man diese Grenze, sei es aus Unvermögen, sei aus Bequemlichkeit, sei es wegen fehlender Mittel, überschritten und die Salome musikalisch und szenisch erledigt.  Oder um es etwas vorsichtiger zu sagen: die Freiburger, die vor ein paar Jahren eine grandiose Lucia auf die Bühne brachten, deren Walküre und deren Siegfried durchaus hörenswert und sehenswert ist, haben mit der Prinzessin Salome kein Glück gehabt.… → weiterlesen