„Amor …sublime amore!“ – „Quale orror!“ Il Trovatore an der Bayerischen Staatsoper

circe - mira d'oublietteMuss man ein großer Verdi Fan und ein Stimmfetischist sein, muss man ein Jonas Kaufmann Bewunderer sein, um an dem Spektakel Gefallen zu finden, das der bayerische Musentempel mit seiner Trovatore Produktion bietet? Bei Verdi – beim Rigoletto war das schon zu beobachten – setzt die Münchner Intendanz auf den Marktwert großer Stimmen – und rechnet die Inszenierungen zu den quantités négligeables, Was beim Rigoletto Calleja, das ist beim Trovatore Kaufmann. Beide sorgen für seit Monaten ausverkaufte Häuser. Und sie singen ja auch beide so berückend schön und verzücken das mehrheitlich ergraute Publikum. Sogar ein bekannter Münchner Politiker ließ die drängenden Berliner Geschäfte ruhen, um dem berühmten Tenor zu lauschen.

Ob der auch wirklich die ganze Zeit über so brillant sang, wie es sein Publikum erwartete? „Ja, nach der Pause, da war er einfach toll“, so wusste In der U-Bahn ein junger Mann lautstark seinem  Busenfreund zu berichten. Unser Kaufmann Verehrer hätte noch hinzufügen können, dass an diesem Abend die bulgarische Operndiva Stoyanova, die die Leonara gab, so betörend schön (warum sagen wir nicht: so ergreifend schön) sang, dass sie  der eigentliche Star der Aufführung war.

Il Trovatore in München: ein Sängerfest in Herz und Schmerz. Belcanto  vom Allerfeinsten.  Opernkulinarik pur.

Das Bühnengeschehen  hingegen lässt einen nur kalt. Ein Latinlover und ein sadistischer Macho streiten sich um die Donna inmitten eines Bürgerkriegs- und Zigeunerambiente. Was soll man aus diesem Klischee Material schon machen. Regisseur Olivier Py, renommierter Spezialist für die Grand Opéra, entscheidet sich für eine Melange aus Grand Opéra und Theater auf dem Theater, verlegt die Handlung in ein Irgendwo zur Entstehungszeit des Stücks, setzt, was gesungen wird, noch zusätzlich in Pantomime um, lässt gleich auf mehreren Ebenen agieren. Mit einem Wort: macht großes Spektakel – von Messerstecherei und Fechtszenen bis zu Hüftgewackel und Striptease – , traut  nicht der Eigendynamik der Musik – und langweilt.  Erst im Schlussakt nimmt sich die Regie zurück und lässt die Akteure einfach ungestört singen. Und jetzt erst gewinnt die Aufführung an dramatischer Wucht. Jetzt dominiert die Musik, jetzt lenkt nichts mehr von den großen Stimmen ab,  jetzt gelingt kammerspielartiges Musiktheater. Warum nicht gleich so. Die Konflikte zwischen den vier Figuren: den feindlich Brüdern, der falschen Mutter und der heillos der ‚Liebe als Passion‘ verfallenen Donna, bieten doch genug Raum zur Entfaltung. Da braucht’s doch gar nichts an Brimborium.

Wie dem auch sei. Großes Spektakel, große Stimmen, Herz und Schmerz nebst Frauenleiche und Testosteron gestörten Männern und dazu Musik zum Mitsingen. Die Oper, aus der die Träume sind. Allgemeine Begeisterung im Publikum.

Wir sahen die Aufführung am 20. November 2013. Die Premiere war am 27. Juni 2013.