La belle Hélène, die sich so gern entführen lässt. Eine venezianische Komödie mit der Musik von Francesco Cavalli. Elena beim Festival d‘ Aix-en-Provence

Théatre du Jeu de Paume; Aix en ProvenceEs muss ja nicht immer Platée oder La Calisto sein, zwei ‚Komödien für Musik‘, die in brillanten Inszenierungen, wie sie in Stuttgart bzw. in Basel zu sehen waren, schon fast zum Repertoire unserer Musiktheater gehören. In der venezianischen Oper des 17. Jahrhunderts und vor allem bei Cavalli gibt es wohl noch so manch  anderes Juwel  der Musik und des Theaters zu entdecken.

Jüngstes Beispiel: die Elena vom Jahre 1649, die  Leonardo García Alarcón für Aix-en-Provence ausgegraben hat- oder sollen wir nicht lieber sagen? – wach geküsst hat.

Trotz – oder vielleicht auch wegen der so kleinen Besetzung, wie sie zu jener Zeit in der Oper in Venedig üblich war, klingt Cavalli  im Théâtre du Jeu de Paume lebendig und frisch, zu keiner Zeit eintönig oder gar einschläfernd. Kein Wunder, so mag man sagen, bei diesem Ensemble höchst brillanter junger Sänger, die da singen und spielen. Ein Ensemble, in dem neben der schönen Helena in der Person der Sopranistin Emöke Baráth vor allem der „contre-ténor sopraniste“ Valer Barna-Sabadus als Menelaos herausragt, ein verliebter Menelaos, der sich,  um Zugang zu Helena zu finden, als junges Mädchen verkleidet, der  in dieser androgynen  Rolle gleich Objekt der Begierde zweier Männer wird,  der miterlebt und miterleidet, wie Helena  sich nur allzu gern vom so virilen Theseus entführen lässt, selber gleich mitentführt wird und  im Finale nach allerlei Irrungen und Wirrungen doch noch Helena kriegt. Derweil das kokette Biest ( vornehm gesagt: dieser Urtyp der femme fatale) Theseus, der  sich gerade nolens volens mit seiner Amazone wieder versöhnt hat, schon wieder schöne Augen macht.

 Wie es sich für eine Komödie gehört,  werden  die strahlenden Helden der Mythen karnevalisiert und ridikülisiert. Bei diesem Spiel der Koketterie, bei dieser plötzlichen Verliebtheit, diesem plötzlichen Wechsel von der Verliebtheit zur scheinbaren Gleichgültigkeit, bei diesem lasziven Spiel mit dem Reiz des Androgynen und den latenten homoerotischen Neigungen, bei all dem glaubt man sich geradezu in einer Offenbachiade avant la lettre. Ja, wenn nicht diese so zurückhaltende  Musik Cavallis wäre, die dem Text und dem Geschehen auf der Bühne den Vorrang lässt.

So haben wir denn im schmucken, unlängst restaurierten Rokoko Theater in Aix-en-Provence eine Musik gehört, die seit mehr als drei Jahrhunderten nicht mehr gespielt wurde,  eine höchst amüsante minimalistische Inszenierung gesehen  und brillante Sängerschauspieler erlebt. Eine Festivalaufführung, die diesen Namen zu Recht verdient.

Wir sahen die Aufführung am 15. Juli 2013.