Das große Potpourri oder Theater as you like it. Sven-Eric Bechtolf und Julian Crouch inszenieren Purcell, King Arthur an der Staatsoper im Schiller Theater

Das Feuilleton jubelt – und (dieses Mal) zu recht. Es ist ja auch alles vom Allerfeinsten, was da in Berlin zu hören und zu sehen ist. René Jacobs zelebriert mit der Berliner Akademie für Alte Musik Purcell – und nicht nur dessen Semi-Opera. Er unterlegt auch viele der gesprochenen Szenen mit weiteren Kompositionen Purcells und schafft mit  dieser seiner Aufführungsfassung praktisch einen durchgehenden Soundtrack. Auf der Bühne ein Ensemble brillanter Sänger und Schauspieler, die allesamt gleich in mehreren Rollen agieren. Wen soll man nennen? Die Sopranistinnen Anett Fritsch und Robin Johannsen, die Schauspieler Michael Rotschopf und Hans-Michael Rehberg?  Eigentlich müssten wir sie alle namentlich nennen. Dieser King Arthur, wie er in Berlin präsentiert wird, ist ein Fest für Sänger und Schauspieler, für Instrumentalisten und nicht zuletzt für ‚Theatermacher‘.

Bechtolf und sein Coregisseur  Crouch (letzterer zeichnet auch für das Bühnenbild verantwortlich) haben tief in  die Theaterkiste gegriffen und mit dem, was sie dort gefunden haben, einen grandiosen Bühnenzauber entfacht. Da wird in schnellem Tempo so ziemlich alles serviert, was großes Theater ausmacht : Tragisches, Komisches und Groteskes, Witz und Ironie, Satire und Parodie, Kindermärchen und Heldensaga, Traumdiskurs und patriotische Mythen und deren parodistische Umkehrung gleich mit dazu, Arkadienmythos gleich mit satirischer Replik, Zaubertheater und Wunder, Clowns und Teufel und freundlich gesinnte  Geister und Zauberer, Liebe, Lust und Leid, Puppen und Marionetten und natürlich das ewige Wechselspiel von Illusion und Desillusion, mit einem Wort: das Theater als Triumph der Imagination, das sich eine eigene Welt erschafft.

Zu den Episoden  aus dem Artus- Mythos und dessen Nutzung als Gründungsmythos Britanniens, die das Libretto aufgreift, erfindet die Regie eine moderne Parallelgeschichte. Genauer: sie setzt einen Kindertraum in Szene, der vom Mythos um König Artus generiert wird. Dem kleinen Arthur, dessen Vater als Flieger im Zweiten Weltkrieg gefallen ist und der zu seinem  Geburtstag  ein Buch mit den  Artussagen  und diesen entsprechenden Marionetten bekommen hat, liest der Großvater vor. Und in der Imagination des Achtjährigen werden die Figuren lebendig, wird der tote Vater zum King Arthur, wird der Krieg gegen die Sachsen, den der König führt, zum Krieg Britanniens gegen seine Feinde auf dem Kontinent. Aus dem grotesken Krieg des frühen Mittelalters wird der moderne Krieg, in dem der Vater umkommt, in dem der national gesinnte Großvater den Enkel auf Patriotismus und Militärdienst einschwört, in dem verkrüppelte und traumatisierte ‚Helden‘ mit schmucken Rotkreuzschwestern  Arcadia spielen und eine saufende Soldateska ein siegreiches Britannien feiert. … → weiterlesen