Manon Lescaut – wer Puccini mag, der findet hier alles, was er liebt: Zucker, Schmelz, Belcanto, Verweise auf frühe Werke, variierende Selbstzitate, leicht angedeutete Verweise auf Wagner, Liebe, Lust, Leid, Schmerz, Tod, Jammerjüngling, Femme fragile und Frauenleiche, Kitsch im Übermaß. Ja, wer’s denn mag.
Keine Frage: es ist einfach bewundernswert, wie Nadja Michael die Manon Lescaut singt und spielt: diese Mischung aus scheinbarer Naivität, Sex- und Lebensgier, Sucht nach Geld und Luxus, Sehnsucht nach der großen Liebe. Der arme Chevalier Des Grieux (in der Person des Stefano La Colla), mag er auch noch schön den Latinlover singen und mimen, hat da alle Mühe mitzuhalten.
Da wird nun an diesem Sonntagnachmittag, am Karnevalssonntag, im Leipziger Opernhaus so wundersüß Puccini gesungen und gespielt, dass es eine Lust sein könnte, ja wenn so manche Besucher nicht so unruhig gewesen wären und nicht ständig hätten tratschen müssen, ja und wenn die Regie, die doch mit leichter Hand und in ironischer Distanz so schön mit Film- und Opernzitaten begonnen hatte, nach der zweiten Pause nicht die Auschwitz Keule hervorgeholt und damit alle Schwerelosigkeit und jedwede Ironie gewaltsam zerstört hätte. Bei einer solchen Konzeption wird dann schnell aus der Deportation nach Amerika, zu der beim Abbé Prevost die leichten Mädchen verurteilt werden, das Selektieren und Zusammentreiben von allerlei dunkel gekleideten Gestalten und von Mädchen vom Gewerbe durch SS Männer auf der Rampe von Auschwitz. Und der französische Kapitän, der Erbarmen mit dem verzweifelten Liebhaber hat, wird dann in seinem Auftreten zum Kollaborateur. Nicht genug damit. Die Fahrt führt nicht mehr nach Amerika und endet für Manon auch nicht in der Wüste. Sie stirbt in einem riesigen mit rostfarbenem Blech bis zur Decke ausgekleideten geschlossenen Raum, aus dem es keine Rettung gibt. Die Assoziationen sind überdeutlich: die arme Manon, die doch nur Liebe und Luxus wollte, ein Opfer von SS Schergen? Und der glatzköpfige Lustgreis Geronte, der sie zu seiner Mätresse gemacht hatte, dieser aus dem Simplicissimus entlaufene Spießer, hat sie aus Rachsucht bei den Nazis denunziert? „Zu viel!. Zu viel!“ Oder vielleicht doch noch zu wenig. Die schwatzende Dame hinter mir, hat die die Nazi-Referenz, obwohl sie sich geradezu aufdrängte, erst gar nicht begriffen. Le Havre – kommentierte sie den Schauplatz des dritten Akts. Richtig. Steht ja auch so im Programmheft. Nur nicht im Regiebuch des hochberühmten Theatermachers Giancarlo del Monaco.
Wir sahen die Aufführung am 2. März 2004. Die Premiere war am 9. März 2008.