Die Entführung zu inszenieren, das muss wohl eine rechte Crux für unsere Theatermacher sein. Als Orientsatire, das geht nicht, dann gibt es Ärger mit den türkischen Vereinen. Als orientalisches Paradies, in dem der edle Moslem den arroganten Christen zeigt, was die Tugend des Verzeihens ist, das ist zu obsolet. Als Aufklärungsmärchen vom edlen Wilden, das ist erst recht Schnee vom vergangenen Jahr. Als Tragödie der schönen Frau, die sich zwischen orientalischem und spanischem Macho nicht zu entscheiden mag und die letztlich dem falschen Mann zufällt, das geht auch nicht. Da protestieren unsere emanzipierten Damen, (wenn es sie denn gibt). Als Schmuddelkomödie im Hartz IV Milieu, das geht auch nicht mehr. Das hat man schon in Basel gemacht. Vielleicht als Selbstfindungssatire und Freudparodie? Das geht auch nicht. Das hat Stefan Herheim schon vor ein paar Jahren mit großem Erfolg in Salzburg gemacht. In Ludwigsburg hat Regisseur und Ausstatter Peer Boysen sich von all dem nicht beirren lassen, konsequent die Möglichkeiten des kleinen Schlosstheaters genutzt und sich für eine Metatheaterkonzeption entschieden, für ein Spiel, in dem von Anfang an dem Zuschauer suggeriert wird: wir spielen Theater, ein Theater, das ein Mitspieler, der Bassa Selim, der in nahezu allen Szenen präsent ist, für sich und die anderen Mitspieler inszeniert, ein Spiel, in dem die Figur der Konstanze, die als einzige im Kostüm des 18. Jahrhunderts auftritt, eine Theaterfigur aus einer vergangenen Zeit ist, vielleicht eine Traumfigur, die nur in der Phantasie ihrer beiden Liebhaber existiert und die im Finale einfach in den Kulissen entschwindet, auf dass das Spiel im zirkulären Schluss vielleicht wieder von vorn beginne. Eine Konzeption, die wohl die Mehrheit der Zuschauer überfordert, die das konventionelle happy end erwarteten und gar nicht bemerkt hatten, dass Konstanze für den trivialen Belmonte (er tritt im ostfriesischen Seemannkostüm auf) im Finale keinen Blick hatte.
In Ludwigsburg ist alles klein, aber vom Feinsten. Man spielt unter der Leitung von Michael Hofstetter auf „Originalklanginstrumenten“. Das Schlosstheater ist sicherlich der adäquate Rahmen für ein Singspiel aus dem 18. Jahrhundert. Ich mag das Museale nicht. Wir sahen die Aufführung am 30. Juni 2009.