So viele Male haben wir Tschaikowskis „Lyrische Szenen“ nun schon gehört und in den unterschiedlichsten Inszenierungen gesehen. Die einen konzentrieren sich auf die Figur der Tatjana und stellen diese als die moderne „starke Frau“ heraus. Andere erzählen uns zur unglücklichen Liebesmär die russische Geschichte bis hin zu Putin gleich mit. Wieder andere wollen vom Leben auf dem Lande gar nichts mehr wissen und verlegen die Handlung in die Zeit des Moskauer Immobilien Booms der Jelzin Zeit. Und wieder andere machen aus den „Lyrischen Szenen“ eine Schwulenoper.
All dies sind mögliche Regiekonzeptionen, die – jede auf ihre Weise – mehr oder weniger verborgene Bedeutungsschichten des Werkes aufdecken. Doch der Onegin, wie ihn Barrie Kosky jetzt an der Komischen Oper in Szene gesetzt hat, lässt, so scheint es mir, alle anderen Deutungen vergessen, übertrifft sie alle an Poesie und Traum. Hier scheut die Regie sich nicht, romantische Liebe und Melancholie, Vergeblichkeit und Vergessen in den Mittelpunkt zu stellen und dies alles mit leichter Ironie, mit einer Ironie, die nicht verletzen, nicht bloß stellen will, wieder in Frage zu stellen.… → weiterlesen