Stefan Herheim inszeniert Offenbach. Die Erwartungen sind hoch – und werden doch nur zum Teil erfüllt. Und das liegt nicht an der Regie. Ein seltsam müder, so wenig schwungvoller Offenbach tönt aus dem Orchestergraben – vielleicht weil es ein so schwüler, heißer Tag in Berlin war. Nun ja, es muss ja nicht immer alles so klingen, als spiele man den Can Can aus dem Orpheus in der Unterwelt. Schade.
Das Temperament, das den Musikern und ihrem Dirigenten fehlte, das gab’s dann auf der Bühne geradezu im Übermaß. Da spielen und singen alle – vom Titelhelden bis zu den Choristen Offenbach mit so viel Elan und Effet, mit so viel Spielfreude und Lust an der Opern- und Operettenparodie und nicht zuletzt an der Selbstparodie, dass es ein großer Spaß ist, sich von solch brillantem Ensemble mitreißen zu lassen.
Hinzu kommt, dass Stefan Herheim seine Theaterkiste weit aufgesperrt hat, einen Gag nach dem anderen abspult, mit Zitaten aus Literatur und Musik nur so um sich wirft und uns im Publikum damit geradezu erschlägt. Da wird eben nicht nur das bekannte Märchen vom Ritter Blaubart und seinen Frauen erzählt. Da weitet sich die Geschichte zur Parodie eines Mysterienspiels um Eros und Thanatos, in dem ein von Kostüm und Maske her grotesker Erosknabe mit dem Sensenmann um die Herrschaft kämpft – um die Herrschaft auf dem Theater. Gleich zu Beginn fahren die beiden mit ihrem Thespis-Karren auf die bis zu den Brandmauern leere Szene. Der Wagen öffnet sich zu einem Schäferspiel in einem Rokokotheater. Der verliebte Schäfer ist natürlich ein verkleideter Prinz und die Schäferin eine verkleidete Prinzessin – oder auch nicht. Das ist auch gar nicht so wichtig. Es muss in jedem Fall eine Prinzessin her, da der König nur einen debilen Sohn habe – sagt der Minister. Und schon sind wir – nach Blaubart und Mysterienspiel – in der dritten Geschichte: Intrigen und Witze am Königshof. Natürlich in den Prospekten des Berliner Schlosses. Der König ist eine Art gestiefelter Kater oder auch ein Roi Ubu, der seine Höflinge umbringen lässt – natürlich nicht alle und auch nicht richtig, so wenig wie Blaubarts Frauen gemeuchelt werden. Wir sind ja in einer Buffa. Die Höflinge rettet der Minister und die Frauen der Alchimist, von Kostüm und Maske eine Doktor Faust Parodie, der zur Freude unserer Bildungsbürger in Goethe Zitaten spricht.
Doch wir wollen nicht alles nacherzählen. Sagen wir einfach, was da auf der Bühne zu sehen ist, das ist eine hybride Komödie mit Musik, eine Melange aus Theater- und Opernklischees, die lustvoll durcheinander gewirbelt werden. Und das mit einem Offenbach Sound, der nicht minder voller Zitate steckt. Doch um die alle zu erkennen, muss man wohl Musiker sein oder im Programmheft nachlesen.
Wie dem auch sei. Operettenseligkeit ist mit dieser Stefan Herheim Offenbachiade alle Male in der Komischen Oper zu erleben. Nur, wie schon gesagt, ein bisschen mehr Temperament und Spiellust im Graben täte dem Berliner Blaubart gut.
Wir sahen und hörten die Vorstellung am 25. Mai, die neunte Aufführung in dieser Inszenierung seit der Premiere am 23. März 2018.