Im fernen Land, schwer nahbar euren Schritten, liegt eine Burg, Tabor sie genannt. Alljährlich naht, nein vom Himmel keine Taube, naht aus dem Städtchen Jennersdorf eine Opernkompagnie und spielt im Innenhof der Burg, nein nicht Wagner, sondern Rossini, wie in diesem Jahr, und Flotow im nächsten Jahr. Und die Leut‘ aus der Region, dort, wo Steiermark und Burgenland, Ungarn und Slowenien aneinander grenzen, strömen hin zur Burg Tabor, denn nicht nur Musik und Theater gibt’s, auch Wein und Schmankerln und das alles zu moderaten Preisen.
Die Jennersdorfer holen sich für ihr Sommerfestival Musiker, Sänger und Theatermacher von weit her: die Musiker aus Preußen: es musiziert die „Junge Philharmonie Brandenburg“, den Protagonisten, den Barbier in der Person des Denis Milo, von der Komischen Oper Berlin, Rosina in der Person der Andreja Zidaric kannten wir noch von ihrem Auftritt beim Young Singers Project der Salzburger Festspiele 2014, und der Graf Almaviva in der Person des Gustavo Quaresma Ramos singt vielerorts, unter anderem in Köln und in Wiesbaden. Alle drei sind sie brillante junge Sänger, die wohl vor einer großen Karriere stehen. Für die Bufforollen hatte man gestandene routinierte Sängerdarsteller mit langjähriger Erfahrung engagiert.
Für die Regie zeichnet Peter Pawlik verantwortlich. Der Wiener Theatermacher verzichtet auf jegliche Message, auf jegliches vorrevolutionäres Ambiente, das so mancher Regisseur in der Beaumarchais Tradition in Rossinis Buffa übertragen möchte. In der Burg Tabor setzt man stattdessen konsequent auf die Commedia dell’arte Tradition und deren Varianten bei Rossini. Schon bei der Auswahl der Kostüme wird diese Grundkonzeption überdeutlich: die eleganten Innamorati (der Graf und Rosina), der Barbier als Arlecchino Variante, der Dottore im unförmigen Lederwams. Aufgelockert wird das Spiel durch Tanzeinlagen und Buffa Szenen, die bis hin zur Groteske gesteigert werden. So wird zum großen Gaudi des Publikums aus der so gar nicht so altjüngferlichen Haushälterin Berta ein mannstolles Weib, das bei dem drögen, geizigen Basilio abgestorbene Gelüste weckt. Mit anderen Worten: die Regie hat aus Rossinis Buffa eine unterhaltsame populäre Komödie gemacht, in der die Liebenden sich kriegen und der übertölpelte Dottore und sein Faktotum Don Basilio sich mit dem Mammon zu trösten wissen.
Wie bei jedem Open Air Spektakel haben es auch in der Burg Tabor Musiker und Sänger besonders schwer. Die geradezu subtropische Hitze und dazu die hohe Luftfeuchtigkeit ließen Instrumente und Stimmen gedämpfter erklingen, als man es gewohnt ist. Um so mehr ist es zu bewundern, wie Rosina alias Andreja Zidaric in ihren Koloraturen brillierte, wie Denis Milo als Barbier in Stimme, Spiel und Bühnenerscheinung faszinierte und wie auch in der so schwierigen Tenorrolle des Grafen Almaviva Gustavo Quaresma Ramos mitzuhalten wusste.
Ein schöner und unterhaltsamer Sommerabend mit Rossini auf Schloss Tabor in den südoststeierischen Wäldern. Wir besuchten die Aufführung am 4. August, die zweite Vorstellung nach der Premiere am 2. August 2018. Vielleicht fahren wir nächstes Jahr wieder hin.