Wir hatten zuletzt in der Bastille Oper Don Carlos in der französischen fünfaktigen Urfassung in einer umstrittenen Warlikowski Inszenierung gehört und gesehen. Orchesterklang, Stimmen, Szene alles vom Allerfeinsten. Luxusoper, wie es kaum besser geht.
Selbstverständlich kann man die Oper Leipzig nicht mit der Opéra National in Paris auf eine Stufe stellen. Doch auch in Leipzig stehen brillante Sängerinnen und Sänger auf der Bühne. Auch hier, wenn auch im relativ bescheidneren Rahmen, ereignet sich ein Fest der Stimmen und der Musik. Hier triumphiert und berührt zugleich mit ihrem so schönen und so sanften Sopran Celine Byrne als Elisabetta – und alle anderen Solisten stehen ihr kaum nach. Verdi verlange – so habe ich mal irgendwo gelesen – „große Stimmen“. Hier in Leipzig hört man diese „großen Stimmen“.
Auch hier weiß das Orchester – das Leipziger Gewandhausorchester – geradezu einen Verdi Rausch zu entfesseln. Und wie schon in Paris wird der am Wagner Schaden Leidende beinahe zum Verdi Fan.
Leipzig ist nicht Paris – und dies macht (wohl ungewollt) eine provinzielle Inszenierung überdeutlich. Hier werden die so verbrauchten Opernklischees wieder einmal aneinander gereiht und noch schlimmer mit den Spanien Klischees, wie sie über Jahrhunderte hinweg die Leyenda Negra verbreitet hat, vermengt. (Gemeint ist die politisch motivierte protestantische Antispanien Propaganda). Die Leyenda Negra ist geradezu die Grundkonzeption, an der sich Theatermacher Jakob Peters-Messer orientiert. Alles ist schwarz und düster und eng. Die ausgiebig benutzte Drehbühne mit ihren hohen schwarzen Stellwänden gibt immer nur kleine Räume frei, in die die Handelnden geradezu eingesperrt sind. Die düsteren, machtlüsternen Kirchenmänner sind die Herren, die Diktatoren des Reiches, vor denen selbst der König – im Wortverstande – zu Kreuze kriecht. Das berüchtigte Autodafé kippt in seinem Pseudorealismus ( ungewollt?) in die Groteske um: vor Angst irre gewordene kleine Mädchen in kurzen Nachthemden mit Kerzen in den Händen, Hunderte von Totenköpfen, ein Engelchen , ebenfalls im Nachthemd, spendet Trost, die schnelle Eingreiftruppe (der Bundespolizei?) hält die Massen zurück, der König ein starsinniger Alter, Don Carlos ( als einziger weiß gekleidet) eine Art Harlekin, ein Narr, der auf den König schießen will und dazu einem der Bundespolizisten eine altertümliche Flinte entreißt. Der Marquis Posa als einziger kein Gestörter. Dafür ein aus der Zeit gefallener Schiller Jüngling.
Im Schlussbild darf dann Posa mit gefalteten Händen im offenen Sarg ruhen. Don Carlos darf in eine leere Seitenkapelle klettern und sich dort unter Verwendung von viel Theaterblut erschießen. Eine weitere Groteske.
Ja, wir haben es jetzt alle begriffen: Spanien ist das Land der allmächtigen Inquisition. Eine Inszenierung aus Opas Opernmuseum hat es uns noch einmal eingebläut.
Wie schade, dass eine musikalisch so hoch stehende Aufführung von einer antiquierten Regie konterkariert wurde.
Wir besuchten die Aufführung am 26. November 2017, die vierte Vorstellung in dieser Inszenierung.