Zum Abschluss der diesjährigen “Innsbrucker Festwochen der Alten Musik” ist eine absolute Rarität zu hören und zu sehen: Caccinis ‚favola in musica‘, so erfährt das Publikum im Programmheft, ist mit ihrer Drucklegung im Jahre 1601 die „erste gedruckte Oper“ überhaupt, wurde in Florenz im Dezember 1602 uraufgeführt und versteht sich als Festoper für Maria de’ Medici und den französischen König Henri IV.
Caccinis Musik, wie sollte ich auch, hatte ich noch nie gehört, kannte allenfalls den Namen des Komponisten und den Titel des Werks. So waren denn Neugierde und Erwartungen besonders hoch – und sie wurden nicht enttäuscht. Ein ‚Orchester‘, das gerade mal aus sieben Instrumentalsolisten besteht und bei dem Theorben und Harfen das Klangbild bestimmen. Bei den alten Stücken, so liest man immer wieder, sei neben den Singstimmen nur der Generalbass notiert, eine Praxis, die den Interpreten große Freiheit in der Instrumentierung lasse. Maestro Rinaldo Alessandrini hat sich offensichtlich für eine kleine Instrumentalbesetzung entschieden, um den Singstimmen allen Raum zu lassen. Eine weise Entscheidung – vielleicht ganz im Sinne des Komponisten und der Zuhörer in den ersten Parkettreihen. Ob man im Rang die Instrumente noch gehört hat? Hoffen wir es. Wie dem auch sei. Es wurde alle Male wunderschön gesungen und musiziert. Musik und Gesang bei einem höfischen Fest. Huldigungstheater für ein Herrscherpaar.
Die Regie nimmt das zeitgenössische Ereignis zum Anlass, das Herrscherpaar gleich in doppelter Rolle auftreten zu lassen: einmal als Zuschauer des Stücks und zum anderen als Mitspielende. In der Hadesszene übernehmen sie die Rolle der Proserpina bzw. die des Plutone. So wird die Gnade, die der Herrscher der Unterwelt dem Künstler Orpheus gewährt, zugleich zum Gnadenakt und Gunstbeweis, die der absolutistische König dem Untertan gewährt. Opera seria avant la lettre und zugleich Theater auf dem Theater. Der Herrscher ist Zuschauer bei einer in Szene gesetzten Variante des Oprheusmythos hin zum lieto fine. Und zugleich ist er als Handelnder Subjekt dieses lieto fine.
All dies wird ohne großen Aufwand gleichsam als Kammerspiel inszeniert. Als Spielfläche genügen die schmalen Seitenbühnen, die Passarelle zwischen Orchestergraben und Parkett und ein klassizistisch gestalteter kleiner Raum, eben die Loge für das Herrscherpaar und zugleich der Ort der Klage und des Triumphs des Sängers Orfeo. Alles Geschehen erwächst aus Musik und Gesang, Bewegung und Gestik. Eine Inszenierung, die sich ganz zurücknimmt und in Analogie zum zurückhaltenden Klang der Instrumente den Singstimmen den ersten Platz lässt.
Wie schade, dass nur zwei Aufführungen in Innsbruck angesetzt sind. Caccinis Euridice verdient es, öfters aufgeführt zu werden, vor allem dann, wenn wie jetzt in Innsbruck Musik und Gesang und nicht zuletzt auch die Inszenierung allen Erwartungen genügen.
Wir sahen die Aufführung am 25. August. Die Premiere war am 23. August 2013.