Sängerfest im Hollywood Spektakel. Hector Berlioz, Les Troyens an der Wiener Staatsoper

Eine banale Beobachtung: Opéra National de Paris und Wiener Staatsoper spielen in derselben Liga: Sängerstars der internationalen Opernszene, aufwendiges und teures Ausstattungstheater – meist im traditionellen Zeffirelli Stil – exorbitante Kartenpreise, Touristen, die den Event, Melomanen, die den Kick suchen (den ‚Orgasmus in der Opernloge‘, hätte wohl Stendhal gesagt), ältere Damen und Herren im Ruhestand, die seit vielen Jahrzehnten ihr Abonnement in der Staatsoper haben und nicht zu vergessen die Queers, die für Sängerinnen mittleren Alters schwärmen. Und wie es sich für Häuser in dieser Preisklasse gehört: grandiose, exzellente Aufführungen, wenn man Glück hat – unsägliche, abgespielte Flops, wenn man Pech hat.

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Ertrinken – Versinken. Tristan und Isolde an der Staatsoper unter den Linden

Ein glücklicher Zufall war es, der uns erlaubte, im Abstand von nur wenigen Tagen  Tristan und Isolde gleich an zwei renommierten Musiktheatern zu hören und zu sehen, am Samstag in de Nationale Opera Amsterdam und am Donnerstag darauf an der Staatsoper in Berlin. Beide Male mit einem hochkarätigen Ensemble, beide Male mit hochberühmten Dirigenten, beide Male mit Orchestern der Spitzenklasse und beide Male in Inszenierungen, für die hoch geschätzte Theatermacher verantwortlich zeichnen.

Kein Zweifel. Ein Wagner Festival der Extraklasse. Wem gebührt bei diesem imaginären Wettspiel zwischen zwei großen Opernhäusern der Lorbeerkranz? Amsterdam oder Berlin? Ich weiß es nicht. Zu unterschiedlich sind die Aufführungen.

In Berlin, so schien es mir,  setzt Daniel Barenboim mehr auf ein Versinken und Ertrinken in der Musik, auf einen unendlichen Klangteppich, auf ein Auskosten aller Nuancen, auf ein Zelebrieren, vielleicht auch auf die Wagner „Hypnose“, der sich der Zuhörer nur schwer entziehen kann. In Amsterdam – so schien es dem Laien, der sich als ‚Wagnerianer‘ versteht und der doch nicht in der Lage ist, das,  was er hört zu analysieren, geschweige denn auf Begriffe zu bringen – in Amsterdam ging es  unter der Leitung von Marc Albrecht ‚intellektueller ‘zu. Dort verzichtet man auf alles Rauschhafte, setzt mehr  auf die Leitthemen Tod, Trauer und Verzweiflung und macht den dritten Aufzug zum Höhepunkt des Abends.… → weiterlesen

Was aber bleibet: Friede, Freude, Eierkuchen und die Religion der Kunst – nach Sadismus und Militärklamotte. Eine Wiederaufnahme des Parsifal bei den Bayreuther Festspielen 2017

Eine so flache und uneinheitliche Parsifal Inszenierung und dies noch dazu „am geweihten Ort“ – das ist schon ärgerlich. Was wollte die Regie eigentlich in Szene setzen? Eine Propaganda Show zur ‚Willkommenskultur‘, eine Utopie von den ‚Gutmenschen‘, die im Finale alle religiösen Utensilien, christliche, jüdische, moslemische, im Wortverstande einsargen und die sich  allesamt nach getanem Werk im Bühnenebel verlieren, während Parsifal im Festspielbesucher Outfit herumsteht, zwei große Scheinwerfer ins Publikum gerichtet werden und die Deckenbeleuchtung im Saale angeht. Ja, wir wissen schon: „Seid umschlungen Millionen“ – bevor wir uns gleich auf den Parkplätzen rabiat um die Vorfahrt balgen.

Der dritte Akt ist in seiner so aufgesetzten ‚Menschlichkeit‘ eigentlich nur verlogen und peinlich. Da wird die verfallene Basilika der ‚Brüder‘ zum Paradiesgarten, in dem Parsifal in schwarzer Montur (in der Montur der schnellen Eingreiftruppe der Bundespolizei?) Kundry  – in Kostüm und Maske ein greises Mütterchen vom Balkan – im Rollstuhl herum fährt, einem Rollstuhl, den vorher schon ein etwas klappriger Gurnemanz benutzt hatte – in Kostüm und Maske eine Mischung aus Iman und Klosterbruder. Eine Handvoll Blumenmädchen entkleiden sich unter Regenschauern. Der Paradiesgarten ist wohl auch ein Garten der Lüste. Und sie alle stellen sich dann zum Familienfoto zusammen, während blonde Wunschmaiden in Begleitung von jungen Herren mit Migrationshintergrund die Zuschauer für die Familienidylle spielen. Und dazu gibt es als Soundtrack die berühmte Karfreitagsmusik. Das ist alles so gut gemeint – und doch nur flach und ärgerlich, wenn nicht sogar unfreiwillig komisch.

Gut gemeint geht es  schon zur Ouvertüre los. Da ist die Kirche der ‚Brüder‘ (vielleicht eine ferne Nachbildung der Jerusalemer Grabeskirche?) zum Nachtlager für Immigranten umfunktioniert. Ein Trupp israelischer (?) Soldaten inspiziert gelangweilt die Szene. Kundry – das lässt ihr Outfit vermuten – ist wohl eine Palästinenserin, Gurnemanz ein penetranter Iman, Amfortas ist wieder einmal eine Postfiguration Christi, eine Rolle, die ihm gar nicht behagt, vor allem dann nicht, wenn die ‚Brüder‘ ihn zur Zwangsblutspendung verdammen, ein barbarischer, sadistischer Akt, den die Regie mit solch krudem Realismus in Szene setzt, dass es dem armen Parsifal, der das alles mit ansehen muss, schlecht wird.

Im zweiten Akt – da geht es dann entspannter zu. Da ist aus der christlichen Kirche ein arabisches Bad geworden, in dem der Renegat Klingsor mit seinen Gebetsteppichen  nicht zu Recht kommt und sich lieber in sein mit Kreuzen voll gestopftes Hinterzimmer flüchtet. Amfortas im weißen Jesusgewand sitzt stumm am Beckenrand. Als Parsifal dem  Keuschheits- und Erlösungswahn verfällt , da erinnert sich Amfortas schöner Stunden und nutzt die Gelegenheit, das, was dieser nicht wollte oder nicht konnte, mit Kundry zu treiben. Ein schöner, ein komödiantischer Regieeinfall.

Überhaupt Parsifal. Der so unbedarfte Schwiegermuttertyp aus dem ersten Aufzug ist im zweiten zum schwer bewaffneten Captain israelischer Fallschirmjäger geworden, der, statt in Klingsors Badewelt auf Palästinenser zu treffen, unter eine ganze Horde von Niqab Trägerinnen fällt (bei Wagner die Blumenmädchen), die schnell ihre schwarze Gewandung von sich werfen und sich mit dem erstaunten Parsifal vergnügen wollen. Sie alle, das wissen wir noch aus anderen Aufführungen, können unserem Elitesoldaten nichts anhaben, so wenig wie die füllige, mütterliche orientalische Dame (bei Wagner eine gewisse Kundry).

Doch spotten wir nicht über die Inszenierung. Es ist alles so gut gemeint, so aufgesetzt aktuell, so billig und so langweilig. Ein Vorschlag an die Bayreuther Festspielleitung: kaufen Sie doch bitte für nächstes Jahr die Parsifal Inszenierung von der Wiener Staatsoper ein.  Die Alvis Hermanis Inszenierung ist um vieles intelligenter und raffinierter angelegt als das, was in Bayreuth zu sehen ist.

Und die Musik? Keine Frage, dass in Bayreuth grandios gesungen wird, dass die Rollen des Parsifal mit Andreas Schager, die des Gurnemanz mit Georg Zeppenfeld, die des Amfortas mit Ryan Mckinny, die des Klingsor mit Derek Welton höchst brillant besetzt sind. Natürlich trägt das ‚unsichtbare Orchester‘ unter der Leitung von Hartmut Haenchen alle Sänger, lässt die Stimmen wunderschön zur Geltung bringen. Und trotzdem – die verknöcherten Wagnerianer und die anämischen Jünglinge –„erstarrt, blaß, atemlos“ -, die schon Nietzsche im Publikum ausmachte – werden mich als Banausin verachten: ich fand es über weite Strecken schrecklich langweilig. Vom Wagner-Rausch konnte keine Rede sein.

Wir besuchten die Vorstellung am 21. August 2017.