„Questo è il bacio di Tosca“. Ein großes Opernspektakel in der Bastille Oper

Für diese Pariser Tosca  hat man alles aufgeboten, was gut und teuer, nein, was mehr als gut und teuer ist. Weltstars auf der Bühne: Anja Harteros  als Operndiva Tosca, Bryn Terfel als sadistischer und machbesessener Baron Scarpia, Marcelo Álvarez als republikanisch gesinnter naiver Liebhaber Cavaradossi. Dass dieses ‚Trio celeste‘, mögen sie alle drei auch schon so viele Male ihre Rollen gesungen und gespielt haben, aus Puccinis Musik ein Sängerfest machen, das war zu erwarten. Dass sie so makellos, so brillant, so schön und dazu noch (dies gilt für die Harteros) so anrührend singen, ohne jemals zuckrig zu sein, ohne jemals in den süßen Puccini-Kitsch zu verfallen, das macht diese Pariser Tosca zum Ereignis.

Allerdings muss man Puccini lieben, bereit sein, sich den Emotionen, die seine Musik erweckt, um nicht zu sagen, ‚erregt‘, hinzugeben. Es ist ja auch alles da, was das spätromantische Herz begehrt, was das Mélodrame fordert, was das Publikum an der italienischen Oper immer wieder begeistert: Liebe, Lust und Eifersucht, Sex and Crime, Gewalt und Sadismus. Und dazu eine Personenkonstellation, die alle Beteiligten in Desaster und Tod führt. Eine schöne leidenschaftliche Frau, ein Bösewicht, der der Schönen Gewalt antun will und von dieser erdolcht wird, ein Liebhaber, dem seine Hilfsbereitschaft und Freiheitsliebe zum Verhängnis wird. Mit einem Wort: ein Opernkrimi mit Herz und Schmerz im Übermaß, stets in Gefahr im Kitsch zu ertrinken. Ja, wenn da  Maestro Ettinger die so eingängige Musik nicht stets vom Zuckerguss bewahrte, wenn da nicht die Sängerdarsteller mit ihrer Brillanz diesen Absturz  zu verhindern wüssten. Ja, dann hätte uns wohl nichts vor dem ‘Ertrinken, Versinken‘ bewahrt.

So viele Male haben wir die Highlights :“Vissi d’arte, vissi d’amore“, diese schmerzvoll melancholische Arie der Tosca und „E lucevan le stelle“, Cavaradossis Erinnerung an seine Geliebte, schon gehört, und noch immer begeistern diese Opernschlager das Publikum. Mag der Tenor auch von der Rampe singen  und schluchzen und dabei – anders als die Harteros, die  bei ihrer Szene in sich versunken verharrt – aus der Rolle geradezu heraustreten und den Kontakt zum Publikum suchen.

Und die Inszenierung? Ein bunter historisierender Bilderbogen, der das Jahr 1800 zu evozieren sucht, den Kampf der alten Mächte, der Kirche und der Bourbonen, gegen die Republik und Napoleon. Baron Scarpia, der Statthalter der alten Mächte, residiert im Palazzo Farnese (vielleicht im roten Salon?). Ein riesiges Kreuz  überspannt die gesamte Decke, auf seinem Schreibtisch gleich neben der Karaffe mit Rotwein und den Schreibutensilien für die Ausstellung der Hinrichtungsbefehle, ein Kruzifix, das Kruzifix, das Tosca – ganz wie es das Libretto will – neben den toten Scarpia stellen und sich bekreuzigen wird.

Ein Kreuzformat bildet die Krypta, in der Cavaradossi eine Maria Magdalena malt. Zum Te Deum treten die Bischöfe  in ihren prachtvollen Ornaten aus dem Dunkel hervor, posieren über der Krypta und bilden mit dem niederen Klerus, der  rechts und links neben ihnen und unter ihnen versammelt ist, ein Kreuz, in dessen Mitte sie selber stehen.

Abgestorbene Bäume mit verkrüppelten Zweigresten, die an verrottete Kreuze erinnern, bilden das Szenarium für die Exekution des Malers. Und wieder liegt über allem wie schon in Scarpias Salon das mächtige Kreuz.

„Unter diesem Zeichen wirst Du siegen“. Nein, unter diesem Zeichen wirst Du vernichtet. So lautet in Umkehrung der Verheißung, die nach der Legende Konstantin zu Teil wurde, vielleicht das Motto oder auch die ideologische Message der Inszenierung.  Doch angesichts des grandiosen Spektakels, das Piere Audi und sein Ausstatter Christof Hetzer  in Szene setzen, ist die Message mit ihrem antiklerikalen Touch, wenn sie überhaupt beabsichtigt ist, zweitrangig.

Bühne und Orchesterklang, Stimmen und Spiel, all dies ist bei der Pariser Tosca von höchster Perfektion. Ein ästhetisches Vergnügen für den Opernbesucher, wenn er Puccini und die Art, wie er hier präsentiert wird, mag. Eine Musik und ein Inszenierungsstil aus der ‚Welt von gestern“  – so mag mäkeln, wer mit Puccini und seinen Interpreten nichts anzufangen weiß. – Doch schön war’s trotzdem.

Wir sahen die Aufführung am 17. September 2016, eine Produktion vom Jahre 2014.