Dieses Mal ist die Intendanz in Venedig shoppen gegangen und hat vom Teatro La Fenice eine Michieletto Inszenierung nach Barcelona mitgebracht. Erste Ware ist das nicht, was die tüchtigen Venezianer Kaufleute ihren katalanischen Geschäftsfreunden angedreht haben. Eher Ausschussware, eben Rebajas. Vornehm gesagt: diese Venedig/Barcelona Produktion gehört nicht zu den stärksten Arbeiten des renommierten Theatermachers Michieletto.
Spielort dieser Così fan tutte sind die Rezeption, das Treppenhaus, die Bar und ein Doppelzimmer in einem besseren Hotel. Was bei Peter Sellars der Coffee Shop war, das ist halt bei Michieletto das Hotel gehobenen Standards in irgendeiner italienischen Stadt von heute. „Menschen im Hotel“ – ein etwas zu sehr abgespieltes Motiv. Auch die sehr bemühte und wohl witzig gemeinte Aktualisierung des Geschehens überzeugt nicht sonderlich. Da Pontes und Mozarts gespielte Liebe und deren subtiles Spielen mit den gängigen Liebesdiskursen des Settecento verkommen in dieser Inszenierung zur billigen Verführungsklamotte. Aus dem „vecchio filosofo“ Da Pontes ist ein versoffener Rezeptionist geworden, der ein zynisch-dümmliches Spiel mit zwei jungen Männern, die als Pappagalli auftreten, organisiert. Und nicht nur das Zimmermädchen, auch die Spaßgesellschaft an der Bar spielt beim Liebestheater mit. Alles sehr nett, an Gags mangelt es nicht, alles ist so gut gemeint, und alles (fast alles) ist so tödlich langweilig.
Originell ist allenfalls die Idee, die Damen als ältliche, kaufsüchtige, gelangweilte Weibsen aus der Mittelschicht, die einem Abenteuer nicht abgeneigt sind, hinzustellen und die Herren als Pappagalli und Pseudomachos zu karikieren, die selbst vor Frauen, die vom Alter her ihre Mamas sein könnten, nicht Halt machen. Aber vielleicht erklären sich die Altersunterschiede auch ganz einfach aus Besetzungsproblemen, und die sich aufdrängende Deutung: die Herren suchen nicht die Liebe, sondern ihre Mamas, ist nur eine ungewollte Nuance.
Mag auch die Szene nicht sonderlich gelungen sein, angemessen und routiniert gesungen und musiziert wird im Liceu immerhin. Und trotzdem: kein Funke sprang über. Ein lustloser Abend – auf der Szene, im Graben, im Saal. Mitwirkende und Publikum waren in Gedanken wohl beim gleichzeitig laufenden Fußballspiel. Nicht von ungefähr präsentierte sich der Maestro zum obligatorischen Schlussbeifall mit dem Barça Schal – zum Vergnügen des Publikums.
Diese alberne Mischung aus Tifoso-Mentalität und katalanischem Nationalismus ist mir schier unerträglich. Nein, sie ist einfach nur lächerlich. So lächerlich und provinziell wie der Beschluss, die Übertitelung nur auf Katalanisch anzubieten. Ein Vorschlag an die Intendanz: lassen Sie doch alle Stücke auf Katalanisch singen und stellen Sie im Foyer und in der Bar Großbildschirme auf, zumindest dann, wenn Barça spielt.
Wir sahen die Aufführung am 30. Mai 2015, die letzte Vorstellung der laufenden Serie.
Vielleicht sollte man das Liceu mal für einige Zeit vergessen. Sonderlich herausragende Aufführungen haben wir trotz der einen oder anderen Starbesetzung in dieser Stagione dort nicht gesehen. Così fan tutte ist im übrigen zur Zeit in einer um Vieles schöneren Aufführung im Münchner Rokoko Theater, im Cuvilliéstheater, zu erleben. Dort verzichtet man von vornherein auf allen Regieehrgeiz, spielt, ganz wie es dem Ambiente des Hauses entspricht, in Rokoko Kostümen und orientiert sich, abgesehen von dem einen oder anderen Verweis auf die Commedia dell’arte, streng am Libretto. Und es singt und agiert ein brillantes junges Ensemble. Nur die Figur des Don Alfonso – und auch hier folgt man ganz dem Libretto – ist mit einem älteren Sänger besetzt. Keine radikale Kürzung und Neufassung des Stücks wie unlängst in Basel, keine krampfhafte Aktualisierung und keine Degradierung der Figuren – wie gerade eben in Barcelona erlebt. Einfach nur klassisch schönes Theater. Nicht immer, aber manchmal gefällt auch das.
Wir sahen die Münchner Così fan tutte am 16. Juni 2015, die dritte Aufführung in dieser Inszenierung. Die Premiere war am 13. Juni 2015.
Auch im Teatro Real in Madrid gibt man sich anscheinend schon dem Sommerschlaf hin. Dort degeneriert der Fidelio zu einer bebilderten Trivialgeschichte oder – freundlich gesagt – zu einem Oratorium in historischen Kostümen. In einer mehr als konventionellen Inszenierung und Ausstattung lässt ein Altmeister der Szene die Darsteller in Kostümen des 18. Jahrhunderts herumstehen und macht in dieser Aufmachung den Tyrannen und ebenso den Minister zu unfreiwilligen Witzfiguren. Immerhin sangen die Pieczonka in der Titelrolle und Michael König als der arme Florestan auf einem Niveau, wie es von beiden zu erwarten war. Ansonsten Opas Oper zum Abgewöhnen. So haben wir denn zum Ende der Spielzeit zwei dürftige Aufführungen in den beiden renommiertesten Häusern Spaniens gesehen – und uns geärgert.
Wir besuchten die Vorstellung am 2. Juni 2015, die dritte Aufführung der laufenden Serie.