Ein sexhungriger Despot von heute – Francesco Cavalli: L’Eliogabalo an der Oper Dortmund

Eine Rarität macht neugierig. Und so bin ich noch einmal nach Dortmund gefahren – trotz all der Tristezza, die das hochmoderne schicke Opernhaus, in dem sich die wenigen Besucher geradezu verlieren, ‚ausstrahlt‘. Dieses Mal hatte man anders als beim Fliegenden Holländer die Zuschauer/Zuhörer in den ersten Reihen des Parketts gesammelt – mit der durchaus berechtigten Begründung, dass Cavallis Musik für kleine Opernhäuser geschrieben worden sei und sich in den Weiten des Dortmunder Opernhauses leicht verlieren würde. So lauschten wir wenigen Zuhörer knapp drei Stunden lang den leisen Klängen Cavallis, wie sie die „Dortmunder Philharmoniker“ in kleiner Besetzung produzierten, und die Dilettantin, die zwar ein paar  Mal in München Cavallis La Calisto gehört hat, doch sonst nichts von Cavalli kennt, war von dem durchweg hohen Niveau der Aufführung  recht angetan – wie schön  doch musiziert  und wie ansprechend und in manchen Rollen sogar brillant  gesungen und agiert wurde.

Die Inszenierung hingegen war eher enttäuschend. Zwar hatte ich in Dortmund keine Las Vegas Revue, zu der in München David Alden La Calisto transformiert hatte, erwartet. Aber ein bisschen mehr Schwung und Tempo und Witz hätte man sich doch gewünscht, zumal ja das Programmheft weiß, dass die venezianische Oper „ein Theater aus dem Geist des Karnevals“ ist.  Von Karneval war in der Dortmunder Inszenierung nichts zu sehen. Es schien eher so, dass die Regie nicht so recht wusste, was sie wollte: ein bisschen „spätrömische Dekadenz“ (wer es noch nicht wusste, der erfuhr aus dem Programmheft, dass der Kaiser Heliogabal einer der perversesten Typen auf dem Kaiserthron war), ein bisschen populärer Don Giovanni Verschnitt (der Kaiser braucht ständig neues ‚Fleisch‘), ein bisschen Herz und Schmerz, Lust und Leid bei den bedrängten Liebespaaren, ein bisschen  Proletarier  Proteste, ein bisschen Komödienstadel bei den ‚Buffa‘-Szenen, ein bisschen Traum- und Metatheater (Heligobal ist mitnichten von Verrätern erledigt worden. Er hat die Revolte gegen sich und die Ausrufung seines Nachfolgers selber inszeniert), ein bisschen Italien Satire (vielleicht im Zusammenhang mit dem ‚Machtwechsel‘ von B. zu M.  im heutigen Rom?).

Und was bleibt von alledem? – Ein bisschen (vielleicht zu viel?) Langeweile. Wir sahen die Aufführung am 16. November 2011. Die Premiere war am 9. Oktober 2011.