Zwiespältig ist der Eindruck, den der Amsterdamer Tannhäuser hinterlässt..Das Nederlands Philharmonisch Orkest unter Maestro Albrecht musiziert grandios, reicht dem Publikum die berüchtigte Wagner Droge und wird zusammen mit seinem Dirigenten zu Recht gefeiert. Musiker und Maestro sind die Stars des Abends. Allein was aus dem Graben klang, fand nicht immer den entsprechenden Widerhall auf der Bühne. Anders ausgedrückt: nicht alle Rollen waren, wie man das in Amsterdam gewohnt ist und auch erwartet, optimal besetzt. Nach einem matten ersten Aufzug, in dem sich Tannhäuser offensichtlich sehr schont und Venus sich nicht minder zurückhält, fragt man sich beklommen, wie das wohl weiter gehen soll. Die Sorge war unbegründet. Es ging ganz passabel weiter. Ein – so will es die Regie – noch von Venus berauschter Tannhäuser singt beim Sängerkrieg die Konkurrenten leicht nieder, mimt und singt dann gekonnt den Jammerlappen. Und auch die gefürchtete Rom Erzählung gelingt ihm ohne Schwierigkeiten. Doch warum die Regie aus dem stimmlich so geforderten Sänger unbedingt einen nervösen aufgekratzten Typen machen musste, der von einer mütterlichen Venus halbherzig flieht und beim scheuen Kuss einer altjüngferlichen Elisabeth gleich ausrastet, das habe ich nicht verstanden.
Pardon, wir machen keine Sängerkritik. Das steht uns nicht an. Sagen wir nur ganz vorsichtig. Der Tannhäuser ist für Daniel Kirch wohl nicht unbedingt die ideale Rolle. Und bei den beiden Damen hätte man sich in Stimme und Bühnenerscheinung ein bisschen mehr erotische Ausstrahlung gewünscht. Zumal es ansonsten auf der Bühne an Erotik und verkrampftem und unterdrücktem Sex nicht mangelte.
Es gibt zwar keinen Venusberg- allenfalls einen kleinen. Man spielt ja die Dresdner Fassung. Ort des Geschehens – praktischerweise gleich die Einheitsbühne – ist der Ballettsaal eines großen Opernhauses des 19. Jahrhunderts, ein Saal, in dem sich in den Pausen und nach der Vorstellung Frack bekleidete Herren der besseren Gesellschaft, zu denen auch der Komponist und Sänger Tannhäuser gehört, mit den Damen vom Ballett vergnügen. Bei diesen Vergnügungen lassen Männlein und Weiblein schon mal die Hüllen fallen, steigern sich zur Orgie, bis sie erschöpft danieder sinken und sich zurückziehen.. Als tristia post coitum singen die Herren zwei Szenen weiter dann die büßenden Pilger, wobei sich der eine oder andere noch schnell die Hose hoch ziehen oder das Frackhemd zuknöpfen muss.
Ein keineswegs befremdender Regieeinfall, sondern eine Szene, die sich konsequent aus der Musik ergibt. So wie in der Musik frömmelnder Choral und glitzernde Erotik aufeinander folgen, ineinander übergehen, so gehören auch im Geschehen Lust an der Reue und Lust an der Sünde zusammen.
Vielleicht ist dieses Herausstellen von Wollust und Frömmigkeit, von heuchlerischerer Frömmigkeit , die Grundkonzeption der Inszenierung, eine Konzeption, die, so scheint es mir, im Finale noch einmal besonders deutlich wird. Während Tannhäuser die heilige Elisabeth anruft, streichelt der ach so edle und fromme Wolfram der Venus das Haar, stürzen sich die Herren auf die Balletteusen, und Tannhäuser, kaum hat er das Gebet hinter sich, wird gleich mitmachen. Die Orgie geht weiter, Maria und Venus liegen ewig im Streite, Kirche und Bordell grenzen aneinander. Diese Vorstellung ist nicht unbedingt neu. Doch wenn sie Christof Loy mit leichter Ironie stringent und konsequent durchzieht, dann wird die Grundtendenz der Oper überdeutlich.
In Musik und Szene ein großer Wagner Abend in Amsterdam. Bei den Stimmen hätte man sich ein wenig mehr Brillanz erhofft.
Wir besuchten die Vorstellung am 1. Mai 2019, die Dernière. Die Premiere war am 6. April 2019.
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