Bayreuther Festspiele 2018. Ein ganzer Flop, ein halber Flop und eine Sternstunde des Musiktheaters

Seien wir doch froh, dass wir überhaupt Karten bekommen haben und halten wir uns mit kritischen Bemerkungen zurück. Nehmen wir einfach in Kauf, dass der Fliegende Holländer abgespielt und desaströs war, die Walküre – wir kannten sie schon aus dem Ring Zyklus – nicht minder abgespielt und in ihrer musikalischen Interpretation etwas eigenwillig war. Begeistern konnte allein der Tristan. Auch ihn hatten wir schon im vorigen Jahr erlebt (Siehe dazu unsere Bemerkungen im Blog). Die diesjährige Aufführung war, wenn das überhaupt möglich ist, in Orchesterklang, Stimmen und Szene noch brillanter und ergreifender als die vom vergangenen Jahr. Vielleicht lag es daran, dass mit Andreas Schager ein jugendlich wirkender Tristan sang und agierte.

So haben uns denn Tristan und Isolde über zwei, um es vorsichtig zu sagen, nicht gerade Festspiel gemäße Aufführungen hinweg getröstet. Wer nachgestellte Szenen aus der Oktoberrevolution und der frühen Sowjetunion mag, wer an zerknitterten Wochenschauaufnahmen aus den zwanziger Jahren Freude hat, wem es gefällt, wie die Walküre Erzählung zur Variante sowjetischer Heldensagen  wird und wer vielleicht das Ganze als Parodie nimmt, der hat sicherlich am sozialistischen Castorf Trash seinen Spaß. Ich fand das – auch schon im vorigen Jahr  – eher langweilig (Näheres im Blogeintrag vom vergangenen Jahr).

Und dieses Mal kam noch hinzu, dass der Musik jegliche Erotik, jegliche Leidenschaft systematisch ausgetrieben wurde. So als ob der Dirigent noch nie etwas von der Rauschhaftigkeit der Wagner Musik gehört hätte oder als ob diese ihm unangenehm wäre. So gezogen, so zum Soundtrack reduziert, habe ich die Musik des ersten Aufzugs wohl noch nie gehört. Statt bei der ‚Liebe als Passion‘ waren wir beim behaglichen Nachsommer, den nur unfreiwillige Einlagen immer wieder störten. Die Kolchosebäuerin Sieglinde besitzt einen Laufstall mit Truthähnen, und die wollten auch schon mal mit zwitschern. „Allein, was tut’s“. Alle Rollen waren exzellent besetzt. Sängerinnen wie Anja Kampe als Sieglinde und Catherine Foster als Brünnhilde bringen auch etwas eigenwillige musikalische und szenische Interpretationen nicht aus dem Konzept. Und das gilt auch für alle anderen Mitwirkenden (Vgl. auch unsere Bemerkungen im Blog).

War Die Walküre schon zumindest teilweise enttäuschend, so gilt das erst recht für den Fliegenden Holländer, eine Produktion, die wir zum ersten Mal in Bayreuth sahen. Auch für Wagnerianer gehört der Holländer nicht unbedingt zu den Großtaten des Meisters: Meeresgebrause nebst exzessiver Erlöser- und Erlösungssucht. Mal lärmend, mal sanft, mal differenziert, mal Einheitsbrei. Ich fand das alles – mit Verlaub gesagt – nicht gerade hinreißend. Aber vielleicht musste ich mich bei der Ouvertüre erst wieder an den  ‚gedeckelten‘ Klang gewöhnen. Auf der Bühne ein Ensemble bekannter, routinierter Sängerdarsteller, die vielleicht an diesem Abend nicht  in Topform waren. Dass gerade der Senta in der Person der Ricarda Merbeth beim Schlussapplaus von den hinteren Rängen ein paar Mißfallsbekundungen zugebrüllt wurden, das war nun wirklich unnötig. Ein Buh hätten eher andere verdient gehabt.

Wagners ‚Des Meeres und der Liebe Wellen‘ ist eine Melange, die schon so manchem Theatermacher zu schaffen machte. So gibt’s halt das Ganze mal als Traumerzählung ggf. im Hospiz, als Kapitalismuskritik, als Literaturoper mit Verweisen auf die romantische Literatur: frei nach dem Motto: die arme Senta hat halt einen Lektüreschaden. Auch die Variante finaler Terroranschlag ist möglich: Senta sprengt den ganzen miesen Laden mit Hilfe von Benzin und Ölfässern, die am Hafen herumstehen, in die Luft. Nicht zu vergessen, dass sich das Erlösungsgeschwafel auch parodieren lässt und die Kapitalismuskritik sowieso.

Beim Bayreuther Fliegenden Holländer weiß die Regie nicht so recht, was sie machen soll. So gibt’s denn von vielem ein bisschen und das mit Parodiebonbons und einem Sammelsurium von Banalitäten. Der Holländer ist ein abgetakelter Business Man, der den Rollkoffer hinter sich her zieht. Ein Schiff hat er wohl schon lange nicht mehr. Er wohnt wohl in einem Etablissement und wird von Hostessen und Damen vom Gewerbe umsorgt. Daland und sein Sekretär (bei Wagner der Steuermann) führen einen auf den Versand von Tischventilatoren spezialisierten Versandhandel und beschäftigen eine ganze Kohorte von Packerinnen. Senta schleppt eine Holzstatue des Holländers herum und damit auch jeder im Publikum weiß, dass sie den Engel spielen will, hängt sie sich Cherubinflügel auf den Rücken. Dem Hausmeister – bei Wagner ein gewisser Erik – gefällt das gar nicht. Doch Helfersyndrom ist Helfersyndrom. Da ist nichts zu machen. Im Finale holt Senta hinter den Kartons ein langes Messer hervor, und vor dem Absterben klettert sie noch schnell auf die gestapelten Kartons. Der Holländer ist schon oben und hat auch schon mit dem Messer gearbeitet. So steht denn das ‚hohe  Paar‘ oben auf den Pappkartons und mimt den Liebestod. Der Sekretär macht noch schnell ein Foto – vielleicht für das neue Logo des Versandhandels, der ja jetzt mit dem Geld des Holländers expandieren kann.

Halten wir Theatermacher Gloger zu Gute, dass er eine Parodie des Fliegenden Holländers in Szene setzen wollte und dass ihm die Musik mit ihrem Gebrause und ihrem Pathos in die Quere kam.

Wir sahen die Aufführungen des Fliegenden Holländers, des Tristan und der Walküre in der letzten Augustwoche 2018.