Ach, ja, la „gelida manina“ – dieses Mal als Theater auf dem Theater an der Oper Zürich

La Bohème: der übliche Zucker. Doch bestens angerührt, d.h. brillant gesungen, schön musiziert und ehrgeizig als Metatheater angelegt. Alle Figuren: genauer: alle Nebenfiguren – und dies wird überdeutlich beim Fest im zweiten Bild – sind nur Zitate, in Kostüm und Maske  Sterne und Sternchen der Pariser Szene, von der Puccini Zeit bis in unserer Gegenwart. Und wer sie nicht  wiedererkennen kann, für den listet das Programmheft die Namen und Daten auf.

Nur unsere vier Bühnen Bohèmes sind, ganz wie es das Libretto will, keine Berühmtheiten, keine Zitate, nur Klischee-Figuren. Sie sind –  und sie bleiben erfolglos. Immerhin frieren sie nicht in der Dachkammer, sondern in einem ausgeräumten Theater, für das der Maler Marcello gerade ein Bühnenbild fertig gestellt hat.  Auch Rodolfo ist nicht müßig: er schreibt gerade das Theaterstück von der schwindsüchtigen Blumenstickerin und dem eifersüchtigen Poeten, der von der Liebe nichts versteht und  der nur von Verliebtheit, Passion und Eifersucht schwatzen kann. Alles Lieben, alles Leiden, alles Sterben ist doch nur Theater – erfolgloses Theater. Die wenigen Zuschauer, die sich Rodolfos Bühnenstück ansehen, verschwinden gleich wieder. Ganz anders die wirklichen Zuschauer im wirklichen Musiktheater. Allgemeine Begeisterung im Publikum. Wir Opernbesucher haben halt einen Hang zum Kitsch, neigen noch dazu zum Voyeurismus. Wir genießen das qualvoll frühe Sterben fragiler junger Frauen auf der Opernbühne. Mögen sie nun Mimi, Violetta, Antonia, Lucia, Mélisande oder wie auch immer heißen.

Ach, „Mi chiamano Mimi“. – Sie rührt doch immer, die kleine schwindsüchtige femme fragile. Und warum soll man den Kitsch nicht genießen, wenn er so kunstfertig angerichtet wird wie jetzt in Zürich von Theatermacher Ole Anders Tandberg, wo Rodolfo in der Person des Michael Fabiano ein strahlender italienischer Tenor ist und Mimi in der Person  der Guanqun Yu als Sängerin und Bühnenerscheinung nicht minder begeistert, wo das Orchester unter Maestro Giampaolo Bisanti in süßer Puccini Italianità schwelgt und der jungen Dame neben mir  vor lauter Rührung ein paar bittere Tränen auf die so frisch gepuderten Wangen fallen.  Wer Puccini und seine so eingängigen Melodien mag, dem bietet die Oper Zürich einen gefälligen Opernabend und für den BB, den Bourgeois/Bohème, im Publikum hält sie im zweiten Bild auch noch ein Identifikationsangebot bereit.

Wir sahen die Aufführung am 20. November 2015. Die Premiere war 1. November 2015.