Hollywood Show für Die Bunte Leserinnen oder mit dem Fahrstuhl in die (Traum) Ägypter-Zeit. Giulio Cesare an der Oper Frankfurt

Die Feuilletonkritik soll nicht sehr freundlich gewesen sein, und überdies ist die Rolle des Cesare statt mit einem Counter mit einem Bariton besetzt. So macht man  denn auf dem Wege von der Kölner Così fan tutte zum Stuttgarter Don Giovanni mit einer gewissen Skepsis in  der Frankfurter Oper  Zwischenstation – und wird angenehm überrascht. Nicht nur, dass alle Rollen mit herausragenden Sängerdarstellern besetzt sind. Auch „der Lagenwechsel vom Altus zum Bariton in der Partie des Cesare […]  – zwar ein starker Eingriff“ – mag er auch dem Komponisten  nicht gefallen,  tut dem Opernvergnügen keinen Abbruch, zumal, so heißt es im Programmheft (S. 56), nichts transponiert worden sei. „Nein! Wir wollen die Chance nutzen und die Spitzentöne eines wunderbaren Baritons zum Einsatz bringen“. In der Tat ist Michael Nagy in der Titelrolle ein brillanter Sänger. Und trotzdem ist mir ein Countertenor oder ein Mezzosopran in  dieser Rolle alle Male lieber. In der Oper suche ich eben nicht „realistische Glaubwürdigkeit“, – ein Motiv, mit dem man in Frankfurt den Lagenwechsel begründet  – , sondern „Kunst“, meinetwegen manierierte Kunst, und die hat bekanntlich nichts mit der „Realität“ zu tun.

Anders als die für die Besetzung Verantwortlichen kümmert die Regie „realistische Glaubwürdigkeit“ und klassische Wahrscheinlichkeit nicht im Geringsten.  Ihre Grundkonzeption heißt Traumwelt und Filmwelt. In eine solche imaginierte Welt transponiert sie das Geschehen, wenn sie  eine leicht angetrunkene Party-Gesellschaft, die dem Partnertausch nicht abgeneigt ist, Cesare in Egitto spielen bzw. nachspielen lässt. Vielleicht kommen die Damen und Herren gerade aus einer Cleopatra Filmpremiere? Vielleicht sind sie auch selber Hollywood Schauspieler?  Ähnelt der Darsteller des Cesare  nicht in Maske und Outfit dem Schauspieler Brad Pitt? Ist Cornelia vielleicht Demi Moore, Cleopatra Angelina Jolie? Die Vogue und Bunte Leserinnen werden vielleicht noch mehr beabsichtigte oder ungewollte Ähnlichkeiten feststellen.

Gespielt wird „Ägypten“ im Partykeller, zu dem man eben mit dem Fahrstuhl hinunter fährt. Dort darf Cornelia – in der ’Wirklichkeit‘ die Partnerin des Cesare, ihr masochistisches Leiden austoben, Cleopatra, in der ‚Wirklichkeit“  die frustrierte Partnerin des so wenig attraktiven Tolomeo, darf  dort endlich die femme fatale spielen und den so virilen und schönen Cesare  anschmachten, und Cesare darf  sich endlich mit der Schönsten aus der Party-Gesellschaft vergnügen, Tolomeo  seinen sadistischen Neigungen freien Lauf lassen und die Partykellnerin endlich mal einen rachsüchtigen jungen Mann, den Sesto, spielen. Und wenn man nicht mehr weiter weiß, dann spult man zwischendurch ein paar Filme ab, und die Filmbänder nutzt man bei Bedarf als Fesseln.  Ja, im Traum, so zitiert das  Programmheft zu Recht die berühmte Strindberg Passage aus dem Traumspiel,  kann alles geschehen,  dort ist „alles möglich und wahrscheinlich […]“.

So feiert denn in Frankfurt ein höchst spielfreudiges Ensemble eine Cleopatra Party, und eine geistreiche und witzige Regie nützt die Möglichkeiten von Traumspiel und Metatheater zu einem gelungenen und amüsanten Fest des Musiktheaters.

Wir sahen die Vorstellung am 21. Dezember. Die Premiere war am 2. Dezember 2012.