Frust – unbewusst. Keine Lust – in den ersten beiden Akten. An der Oper in Köln scheitern die Meistersinger von Nürnberg dann doch nur beinahe

In den beiden Wochen vor Ostern organisiere  ich mir mein ganz persönliches Wagner Festival: in München, in Berlin, in Köln und in Karlsruhe.  Nach der so brillanten Walküre in München, nach der nicht minder brillanten konzertanten Aufführung des Tristan in der Berliner Philharmonie, muss man auch mal Abstriche machen können. Schade, dass es gerade in Köln sein muss, wo vor ein paar  Jahren Markus Stenz und Robert Carsen einen mehr als beeindruckenden Ring produzierten und wo in dieser Saison mit Krieg und Frieden oder auch  mit der Ariadne auf Naxos höchst gelungene Inszenierungen auf dem Programm stehen. Mit diesen hochkarätigen Aufführungen können die Kölner Meistersinger nicht mithalten. Gäbe es da nicht den recht originellen dritten Aufzug, ja dann  wäre wohl  angesichts der etwas hilflosen ersten beiden Aufzüge Trübsinn angesagt.Die Kölner Meistersinger irritieren in den ersten beiden Akten. Es mag ja sein, dass Musiker und Sänger an diesem Nachmittag anfangs nicht in Hochform waren. Die Ouvertüre erschlägt mit lärmendem Gebrause, und dafür singt man dann auf der Bühne (mit Ausnahme von Stefan Vinke als Stolzing)  überaus verhalten und meist textunverständlich und verbreitet allgemeine Langweile. Auch die Regie tut in den ersten beiden Akten wenig, um der Langeweile abzuhelfen. Natürlich ist es ein schöner  Metatheater Gag, wenn Herr Stolzing im heutigen Alltagsanzug aus dem Publikum kommt, schnell noch einmal mit dem Handy herumspielt und sich unter eine Gesellschaft mischt, die wohl gerade Komparsen in einem historischen Schinken über die Meistersinger in der Dürer Zeit mimt und entsprechend gewandet ist. Dass der junge Mann von heute den in der Mehrzahl älteren Herren, einige sind wohl  für das Stück gerade aus  dem städtischen Sängeraltenheim ausgeliehen worden, mit seinen modernen Songs nicht imponieren kann, verstehen auch die ganz naiven Opernbesucher. Ein schöner Gag ist  es auch, dass der zweite Akt im Köln der Biedermeierzeit spielt und die Prügelei im Finale als Barrikadenkampf in der  48er Revolution endet. Doch sonderlich originell sind Verweise auf das Nürnberg der Dürer Zeit und den Dresdner Barrikadenkämpfer, den Kapellmeister R. W., wohl nicht.  Die historischen  Zeitversetzungen kennt man schon von Lehnhoffs Zürcher Meistersingern, genießt sie als Zitat, findet die Szenen Hans Sachs /Beckmesser recht ansprechend (kein Wunder bei dem in der Rolle  des Beckmesser wie immer überragenden Adrian Eröd), findet andere  Szenen eher dürftig und fragt sich frustriert in der Pause, wie das wohl weiter gehen soll. Vielleicht wie in Zürich mit einem Schinkel Zitat als Festwiese oder wie in Leipzig  mit ein bisschen Nazi und DDR Gemenge? Und weiter Langeweile? Doch es kommt ganz anders. Im dritten Akt da sind alle Musiker aufgewacht, alle Sänger in Hochform, die Regie greift in die Theatertrickkiste  und zeigt, dass  es ihr nicht an Einfällen mangelt, dass sie ihr Handwerk versteht. Die Festwiese ist der Offenbachplatz, der Platz vor dem Kölner Opernhaus, wo ein bunt gemischtes Kölner Volk – einschließlich der Obdachlosen und ihrer Hunde – mit ganz viel Kölsch die Hochzeit des reichsten Mädchens der Stadt feiert und den Honoratioren, die sich nebst Gattin auf dem Balkon des Opernhauses zeigen, zujubelt. Als Zugaben gibt’s noch einen Song Wettbewerb und dazu eine Videoshow mit Aufnahmen aus der deutschen und der Kölner Geschichte. Das ist alles höchst amüsant und unterhaltsam. Dass der brave Hans Sachs, vom Outfit her ein zufriedener Gewerkschaftsfunktionär, der gerade  für seine Klienten einen überaus günstigen Tarifabschluss ausgehandelt  hat, dass dieser Sachs noch  eine  nicht so ganz politisch korrekte Rede  auf die deutsche Kunst hält, das geht in der allgemeinen  Volksfestseligkeit unter – wie auch so manches von Wagners Musik. Wie dem auch sei. Wir im Publikum wie auch die da auf der Bühne haben unseren Spaß, und die beiden einschläfernden ersten Akte haben wir vergessen. So haben denn die Kölner Meistersinger, wenn auch recht mühsam, doch noch die Kurve in die Komödie  gekriegt. Oder sollen wir sagen: in den Kölner Karneval?

Wir sahen die etwas zwiespältigen Kölner Meistersinger am 1. April 2012. Es war laut Programmheft die  „9. Vorstellung (Premiere am 20. September 2009)“.