Die Weise von Liebe und Tod der ‚Femme fragile‘ – im Vorraum der Toiletten. La Traviata an der Oper Köln

Die Weise von Liebe und Tod der ‚Femme fragile‘ – im Vorraum der Toiletten. La Traviata an der Oper Köln

Ich bin nicht unbedingt ein Verdi Fan. Dieser Hang zur Gefühlsseligkeit, die so leicht dem Kitsch nahe kommt, dieses raffinierte Spiel mit den Emotionen der Zuhörer, mit einem Wort: diese so viele Male bis hin zum Überdruss gehörte Musik, deren Wirkung man sich nur schwer entziehen kann, all dies ist nicht so ganz mein Fall. Und trotz so mancher Vorurteile hat mich die Kölner La Traviata berührt, um nicht zu sagen gerührt.

 Nicht dass die Inszenierung besonders auffällig wäre oder sich durch eine überraschende Konzeption auszeichnete. In Köln setzt man anders als zum Beispiel in Graz, wo Konwitschny in der vergangenen Saison eine spektakuläre La Traviata in Szene setzte, auf das Konventionelle. Es sei denn, man fände es besonders originell, dass Papa Germont die arme Violetta im Restaurant erpresst und die beiden Protagonisten ihre großen Arien im Vorraum der Toiletten singen dürfen (mit der schwangeren Klofrau) als Publikum und dass das Finale, die ‚Liebestodszene‘ der Violetta, sich auch im Toilettenvorraum ereignet. Banalisierung des Mythos von der Kameliendame? Vielleicht war das die – banale – Konzeption. Sonst das Übliche: schöne bunte Abendroben für die Choristinnen. Schrecklich bemühte biedere Verruchtheit. Eine Drehbühne für den schnellen Wechsel vom Restaurant zum  Spielsaal und immer wieder zur Toilette. Doch reden wir nicht von der Inszenierung. Was an dieser Kölner La Traviata fasziniert, das ist nicht die Szene und auch nicht die Musik aus dem Orchestergraben.  Was fasziniert und berührt, das ist das  neue Kölner Traumpaar: Olesya Golovneva als Violetta und Matthias Klink als Alfredo. In Gesang und Spiel und Bühnenerscheinung erfüllen sie in geradezu perfekter Weise die Illusion von  der romantischen ‚Liebe als Passion‘. Diese Violetta ist nicht „die Heilige im Hurenkalender des Bürgertums“, wie zeitgenössische Kritiker die Kameliendame zu nennen pflegten. Sie ist eine zerbrechliche, von Krankheit gezeichnete junge Frau, eben eine ‚femme fragile“, mit der Sehnsucht nach der bürgerlichen Zweisamkeit, die von den Bürgern, allen voran Papa Germont, der diese Sehnsucht zu manipulieren weiß, erledigt und zerstört wird. Und der arme Alfredo?  Der typische  verliebte junge Mann, zu naiv, um zu bemerken, was mit ihm geschieht und der erst etwas begreift, als es zu spät ist. Eine Konzeption, wie sie einst  Alexandre Dumas in seinem Roman von der Kameliendame vorgegeben hat, die die Regie in Köln noch einmal aufgreift und die die beiden Protagonisten in, um es noch einmal zu sagen, in brillanter Weise realisieren. Wir sahen La Traviata am 2. November 2011. Es war laut Programmheft die 19. Vorstellung. Die Premiere war am 28. November 2009.