Der Essener Ring, der mit einer spektakulären Wagner-Revue, bei der die Rheingold Musik zum Soundtrack für eine Sex and Crime Show heruntergekommen war, begonnen hatte, ist mit der Walküre im besten Sinne des Wortes wieder seriös geworden. Ort der Handlung ist ein großzügig bemessener palastähnlicher Saal, der allerdings schon erste Zeichen des Verfalls aufweist und in dem eine Familie preußischer Militäraristokraten oder vielleicht auch die modern-militärisch gekleideten Atriden oder vielleicht auch die Krupps von der Villa Hügel oder vielleicht auch der Wagner Clan residiert: Deutungsmöglichkeiten, die die Regie (Dietrich Hilsdorf) suggeriert. Unter dem Kommando eines Generals Wotan wohnen sie alle in diesem Palast: die Matrone Fricka, die letztlich das Kommando führt, die ganze Schar der unehelichen Kinder (junge Damen in großer Abendrobe), auch die Zwillinge Siegmund und Sieglinde und konsequenterweise auch der wohl nicht ganz standesgemäße Schwiegersohn und Schwager Hunding. Eine solche Konzentration der Szene und des Personals bietet neue dramatische Möglichkeiten: es erleichtert Siegmund ungemein dem Schwager die Frau zu entführen, und das von Mutti Fricka erwirkte Todesurteil gegen ihren ungeliebten Stiefsohn lässt sich als eine Art Feme Familiengericht zelebrieren, bei der alle Beteiligten präsent sind. Wie es nun einmal bei einem Familientreffen üblich ist, trinkt man sich zunächst einmal zu. Eine schöne Gelegenheit für die Regie, einen weiß gedeckten Esstisch nebst Weingläsern und Rotweinflaschen mitten auf die Szene zu stellen. Im Finale des zweiten Akts, da schießt Hunding den armen Siegmund, der mit seinem mannshohen Schwert in der Hand wohl noch auf ein richtiges Duell gehofft hatte, mit seinem Karabiner einfach nieder. Und die Leiche liegt am Esstisch, und Hundig trifft beim Anblick des zornigen Familienoberhaupts Wotan der Schlag. Doch vorher krabbelt er noch schnell auf eine Sitzbank und darf dann den ganzen dritten Akt über – als Untoter drapiert – dort hocken bleiben. Im dritten Akt ist es nur konsequent, wenn wir uns schon in einem zumindest halbmilitärischen Ambiente des 19. Jahrhunderts befinden, dass die Heldensöhne, die sich die jungen Damen (vulgo: die Walküren) zum Leichenfest ausgesucht haben, als schwule preußische Kadetten auftreten und mit den Wunschmaiden wenig anzufangen wissen. Und Wunschmaid Brünnhilde wird der Einfachheit halber im hohen Saale zum Tiefschlaf eingeschlossen. Eine in sich stimmige Konzeption, die auf das Grundthema ‚Verfall einer Familie’ (ein bekanntlich typisches Thema des späten 19. Jahrhunderts) den Hauptakzent setzt. Eine Inszenierung, die ohne all Gags und Mätzchen aus kommt, den Sängern allen Raum zur Entfaltung lässt und die nie von der Musik ablenkt. Und musiziert wurde unter der Leitung von Stefan Soltesz dieses Mal – ganz anders als beim Rheingold – berückend schön, ohne alles Brimborium, einfach nur schön.
Die Premiere war am 24. Mai 2009. Wir sahen die Vorstellung am 4. Juli.