Eine tödliche Buffa um gespielte Liebe. Così fan tutte im Opernhaus Zürich

In Zürich haben Franz Welser-Möst und Sven-Eric Bechtolf jetzt mit der Così fan tutte ihr Mozart/Da Ponte Projekt zu Ende geführt. Ein Zyklus, der auf alle ideologischen Botschaften verzichtet, der weder pseudo-subversiv ist noch sich im Reigen der Liebeskurse verliert. Vielmehr dominieren wie schon im Don Giovanni und mehr noch in Le Nozze di Figaro auch jetzt in der Così fan tutte Spielfreude und Witz, Ironie und Parodie, Leichtigkeit und Theaterseligkeit. Doch plötzlich und unerwartet wie im Finale der Così bricht alle Heiterkeit ab, und es tun sich Abgründe auf, die das Spiel mit der gespielten Liebe schal werden lassen. Im Finale in Zürich laufen die Paare nicht auseinander, wie man das bei so genannten gedankenschweren Theatermachern schon so viele Male gesehen hat. Hier gibt es die konventionelle Versöhnung – ganz wie es Musik und Libretto verlangen, ganz wie es die Zuschauer nach einem Abend der Heiterkeit und des leichten Spiels erwarten. Doch mit einem Male greift Fiordiligi (aus Versehen? mit Absicht? aus Verzweiflung?) nach dem Giftbecher, den Guglielmo in einer sonst kaum beachteten Szene auf den Hochzeitstisch gestellt hatte (beim Hochzeitstoast war er beiseite getreten und hatte die Damen verwünscht: „Ah, bevessero del tossico, / Questi volpi senza onor!“). Und dieses Mal ist es  tödliches Gift, kein Pseudogift wie bei der Selbstmordkomödie der Liebhaber. Das Spiel ist aus – ganz so wie in der bitteren Komödie aus romantischer Zeit, die einstens Alfred de Musset schrieb und in der das Spiel mit der gespielten Liebe tödlich ausging: On ne badine pas avec l’amour. Ein Finale, das überrascht und doch wiederum nur konsequent ist und schon in der ersten Szene angedeutet wird. Don Alfonso ist kein „vecchio filosofo“, sondern ein bleicher Alchimist, der den beiden Herren wohl gerade sein Labor mit seinen Reagenzien  zeigt. Und im Nachhinein versteht man auch, warum Fiordiligi die Arie der Schwester („Smanie implacabili“), die parodistische opera seria Arie, mit allerlei Selbstmordspielchen begleitet, und eine resolute Despina ihr immer nur im letzten Augenblick die Pistole, das Messer, den Strick entreißen kann. Das Motiv des Todes ist geradezu ein Leitmotiv der Inszenierung. Spielerisch und komödiantisch, unernst und parodistisch zieht es sich durch die Handlung, um im Finale seinen Schrecken zu zeigen. Doch bis es so weit ist, feiert auf der Bühne die Buffa fröhlich und laut Urständ. Kein Bechtolf ohne das Spiel mit den Sexsymbolen: vom Degen über die Banane bis zur phallisch hoch gereckten Zypresse, die die Bühne beherrscht, ist das gängige Arsenal versammelt. Und wenn es dies alles nicht gäbe und wenn noch dazu die meisten der großen Arien –  nicht von den Vortragenden, sondern  von den übrigen Personen in Spiel und Gestik parodiert würden, dann glaubte man sich beinahe in einer Ponnelle Inszenierung. So schön sind die Settecento-Kostüme der Damen. So elegant die Uniformen der Herren Offiziere. Doch dieser Ponnelle, an den man sich manchmal erinnert fühlt, ist für Bechtolf nur ein Tresor von Zitaten, Anlass zur Parodie und immer wieder zur Versexung. So sieht man denn in Zürich eine höchst amüsante Buffa, eine Buffa indes, die in der Schlussszene zur (romantischen) Tragödie wird.

Und der musikalische Part? Ein schwungvoll und temperamentvoll aufspielendes Orchester, das sich doch – so zum Beispiel in der zweiten großen Arie der Fiordiligi – ganz zurückzunehmen weiß und der Sängerin ein Pianissimo erlaubt, das die Zuhörer den Atem anhalten lässt. Auf der Bühne: Sängerschauspieler der ersten Kategorie – ganz so wie man es Zürich erwartet.

Vielleicht ist die Così fan tutte nicht ganz so gelungen wie Le Nozze di Figaro. Aber sehenswert und hörenswert ist sie alle Male.

Wir sahen die dritte Vorstellung. Die Premiere war am 28. Juni 2009.