15. 01. 09 Eine Broadway Revue mit königlichem Etat . David Alden inszeniert Francesco Cavalli: Ercole amante im Muziektheater Amsterdam

Wie einstens bei der Uraufführung im Jahre  1662 am Hofe Ludwigs XIV, als man mit Ercole amante die Hochzeit des französischen Königs mit der spanischen Infantin Maria Theresia feierte, an nichts gespart wurde, so stand wohl auch  in Amsterdam, als man die Cavalli Rarität auf den Spielplan setzte, dem Produktionsteam ein unbegrenzter, ein wahrhaft königlicher Etat zur Verfügung. Eine Fülle kostbarer, edler Barockkostüme, eine aufwendige Bühnenmaschinerie, eben wie es sich für eine Barockoper gehört, Tänzer und Tänzerinnen, ganz wie es sich für eine opéra ballet gehört, Chor und Statisterie in Großaktion. Im Orchestergraben ein renommiertes, auf die historische Aufführungspraxis spezialisiertes Ensemble: das Concerto Köln und noch dazu das Münchner Monteverdi Continuo Ensemble. Auf der Bühne Stars des internationalen Opernzirkus, wie man sie von München und von Salzburg her kennt: die Cangemi, die Bonitatibus, Luca Pisaroni in der Hauptrolle und dies alles unter der Leitung des einstigen Münchner „Barocktraumpaars“: David Alden und Ivor Bolton. Alles vom Feinsten und vom Teuersten. Mit anderen Worten: Opernkulinarik der Extraklasse wird in Amsterdam geboten.

Doch – ich wage kaum die ketzerische Frage zu stellen – lohnt sich wirklich der ganze Aufwand? Geben Musik und Libretto wirklich so viel her? Nach fast vier Stunden Cavalli erscheint einem die Musik geradezu wie eine Endlosschleife. Und das Libretto? Die Apotheose des absoluten Herrschers und die Allegorisierung seiner Gemahlin zur Bellezza, zur Göttin der Schönheit und der Liebe, wie sie das Libretto vornimmt, müssen unsere heutigen Theatermacher ja  geradezu zur Parodie und zur Karnevalisierung provozieren. Dass David Alden aus dem vorliegenden absolutistischen und mythologischen Material eine unterhaltsame und witzige Revue machen würde, in der Könige und Götter, Heroen und Göttinnen banalisiert und  ridikülisiert werden, das war zu erwarten. Das ist eben der Alden Stil, wie man ihn von seinen Münchner Barockinszenierungen her kennt. Und wie schon in München so gelingen auch in Amsterdam der Regie stupende Bilder und Szenen –  ganz wie es schon die Brockästhetik verlangte, die den Zuschauer stets mit Ingenium, d. h. mit witzigen und geistreichen Einfällen unterhalten und beeindrucken will. Da drapiert sich ein gelangweilter König Ludwig, der gerade in großer Staatsrobe als sein eigenes Porträt posiert hatte  – die Regie stellt das berühmte Gemälde von Rigaut nach – mit Riesenstiefeln, massigen Muskeln und Tierfell Perücke zum einfältigen Muskelmann Herkules. Da springt im Finale der gerade zum strahlen Gott erhobene Herkules/Ludwig aus dem Hochzeitsbett, wirft die lästige Gottausstattung davon, lässt die Infantin/Bellezza im Bett allein zurück, schnappt sich eine Hofdame und macht sich mit der davon. Da hampelt Herkules als Riesenbaby über die Bühne und erwürgt die Schlangen, die eine eifersüchtige Juno gegen ihn ausgeschickt hatte. Da legen Pluto und sein höllischer Hofstaat einen wilden Totentanz, eine danse macabre, auf die Bretter. Da fährt der Page mit einem richtigen Schiffchen auf der Bühne herum, und Gott Neptun taucht für eine kurze Szene samt Wasserpferden und Tritonen aus der Tiefe auf. Da schweben Götter aus der Höhe herab, und im Finale weitet sich in einem Trompe d’oil  die Bühne zum königlichen Festsaal. In Amsterdam ist barockes Festtheater zu besichtigen. Und wer das mag, der kommt in Amsterdam auf seine Kosten.

Die von der Presse gefeierte Premiere war am 11. Januar 2009. Wir sahen die (noch nicht einmal ausverkaufte) zweite Vorstellung.