Am Ende des Krieges müssen auch die Royals an die Front. Ein Glück für die Hochgeborenen und für Great Britain, dass ihnen in der Not ein schmächtiger junger Mann (bei Händel ein gewisser Teseo, hier in der Person der Mezzosopranistin Lena Belkina) zu Hilfe kommt und ihnen die Kastanien aus dem Feuer holt. So können sie dann gleich wieder so agieren, wie es die Klatschpresse mag: der in die Jahre gekommene König kriegt Angst vor der femme fatale, die bei ihm am Hofe lebt und der er die Ehe versprochen hat (bei Händel eine gewisse Medea). So möchte er denn lieber die hausmütterliche Prinzessin, die auch bei ihm am Hofe lebt, ehelichen (bei Händel eine gewisse Agilea). Dumm nur, dass diese sich in den Kriegshelden Teseo verknallt hat – und umgekehrt.
Viel schlimmer ist indes, dass diese Geschichten der Medea, die sich ausgetrickst fühlt, überhaupt nicht gefallen. So setzt sie das junge Paar mit einem wilden Budenzauber (Medea ist in ihrer Freizeit Zauberin) gewaltig unter Druck. Ein Glück für Medea, dass der alte König eifersüchtig ist und mit ihrer Hilfe den jungen Rivalen um die Gunst des Hausmütterchens meucheln will. Ein Glück für den jungen Mann, dass der Alte im letzten Augenblick in dem jungen Mann seinen verlorenen Sohn erkennt. Da bleibt für Medea nur die Handgranate zum spektakulären Selbstmord.
So durften wir denn – Dank sei dem Regieduo Leiser und Caurier – gut drei Stunden zusehen, wie die Royals in ihrem verstaubten Palast sich mit ihren Unterleibsproblemen quälen und sich entsprechend balgen. Wir wären sicherlich vor Langweile gestorben, hätte da nicht in der Person der Gaelle Arquez eine Medea auf der Bühne gestanden, die die müden Royals geradezu an die Wand sang und die noch dazu als Bühnenerscheinung alle anderen Mitwirkenden zu Statisten degradierte, wie schön diese auch so manche Arie und so manches Duett vortrugen. Gegen Medea – und dies ist auch ganz im Sinne des Mythos – kommt halt keiner und keine an.
Gaelle Arquez und mit ihr René Jacobs retten die Aufführung. So dürftig und verkrampft aktualisierend das Bühnengeschehen war, so brillant und eingängig waren die Händel Klänge, die Jacobs mit der „ Akademie für Alte Musik. Berlin“ herbei zauberte und zelebrierte. Jacobs in seiner Funktion als Hoher Priester der alten Musik hatte eigens für Wien eine „Neufassung“ der frühen Händel-Oper kreiert. Für diese Neufassung, so schreibt er im Programmheft, habe man nicht nur die bei der Uraufführung gestrichenen Rezitative wieder „integriert“, sondern fehlende auch „neu komponiert“. Des Weiteren habe man Chor- und Orchestereinlagen aus anderen Opern Händels für die Wiener Neufassung des Teseo eingefügt. Mit anderen Worten: in Wien ist eine neue Variante von Händels Oper zu hören – eine sehr überzeugende und – so lässt sich aus dem begeisterten Beifall des Publikums schließen – eine großen Erfolg versprechende Variante.
Ich habe mich im Laufe des Abends immer wieder gefragt, warum der Maestro uns nicht eine konzertante Aufführung seines neuen Teseo vorgestellt hat. Mir schien es, dass die szenische Fassung, für die man sich entschieden hat, der Musik gar nicht gut tut und auch die Sänger nicht unterstützt, sondern mit ihren Mätzchen eher behindert. Also bitte beim nächsten Mal konzertant.
Wir besuchten die Aufführung am 21. November 2018. Die Premiere war am 14. November 2018.