Monteverdi, L‘ Orfeo. Intermediales Spiel und ästhetisches Vergnügen. Eine Sasha Waltz Produktion an der Staatsoper Unter den Linden

Vielleicht war es das ‚Gesamtkunstwerk‘, das wir jetzt in einer Wiederaufnehme in Berlin gesehen und gehört haben: eine Einheit von Klang und Stimmen, von Tanz und Malerei. Ich bin nicht unbedingt ein Fan des Tanztheaters, wenn,  wie wir es zuletzt in Paris in einer Così fan tutte  Inszenierung erlebt haben, Tänzer in Konkurrenz zu Sängern treten und  versucht wird, die unterschiedlichsten Liebesdiskurse in die Sprache des Körpers zu transferieren, ein Bemühen, das die Tänzer letztlich vor der Macht des Gesangs scheitern lässt und sie zu Statisten degradiert.

Nichts von einem gequälten Überlagern von Stimme und Bewegung ist in Sasha Waltz‘ Orfeo zu bemerken. Hier ergänzen die Künste einander.

Hier drängt sich nichts und niemand in den Vordergrund – weder die Szene noch Musik und Gesang, noch der Tanz. Alles verbindet sich zur ästhetischen Harmonie und erzählt jeweils auf seine Weise die bekannte Variante des Orpheus-Mythos: den vergeblichen Versuch, mit der Macht der Musik und des Gesangs die Macht des Todes zu brechen und die Geliebte zum Leben zurück zu führen. Mit anderen Worten: sie alle erzählen auf ihre Weise den Mythos vom ewigen Scheitern der Kunst, von ihrem ‚in Schönheit sterben‘.

Und dies in einer Bühnenwelt, die in ihren Hirtenszenen auf die Landschaften mit Fluss eines Francois Boucher verweisen, die kein Höllenspektakel braucht, sondern sich mit grauem Licht, in dem sich schemenhafte Gestalten bewegen, begnügt, in einer Bühnenwelt, die auch beim Tod des Orfeo nicht auf Gewalt setzt: die Mänaden bedecken Orfeo mit den Zweigen von Trauerweiden.

Auch die Figur der Eurydike verweist von Kostüm und Maske her auf die Malerei. Sie ist keine Hirtin, sondern eher eine Flora oder Simonetta Botticellis. Oder wenn man so will, verweist sie auch, wenn sie sich mit reifen Äpfeln behängt, auf den Herbst des Arcimboldo. Eurydike, eine Gestalt, die für Werden  und Vergehen steht? Vielleicht?

Zu dem überwältigen Eindruck, den diese Orfeo Produktion hinterlässt, trägt vor allem der Sänger des Orfeo bei. Wie Georg Nigl – je nach dramatischer Situation – mal mit sanfter, mal mit mächtiger Stimme, mal als lyrischer, mal als dramatischer Bariton den Orfeo singt (und darstellt), das ist einfach grandios. Und wenn ich jetzt Talent zum Feuilleton-Lyriker hätte, dann würde ich die hymnischen (und doch so platten) Attribute alle aneinander reihen. Sagen wir einfach: Georg Nigl ist als Sänger und Schauspieler ein Ausnahmekünstler. Ganz zu Recht ein Star des Musiktheaters, und es ist immer wieder ein Vergnügen, ihn im Theater, ganz gleich in welcher Rolle, zu erleben.

Wir besuchten die Aufführung am 17. November 2018. Die Premiere in der Staatsoper war am 1. Juli 2015.

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