Und wieder einmal ein Flop in der Wiener Staatsoper: Johannes Maria Staud – Durs Grünbein, Die Weiden. Ein Musikprofessor und ein Poet versuchen sich am Musiktheater

Es mag ja sein, dass Durs Grünbein, der das Libretto verantwortet, ein großer deutscher Dichter ist. Und so hätten wir gern in Wien seine hehren Worte vernommen. Vergebliche Hoffnung. Die Worte  unseres Poeten waren nicht rätselhaft. Sie waren einfach nicht zu verstehen, akustisch nicht zu verstehen. Alles scheiterte an der absoluten Textunverständlichkeit, zu der die beiden Hauptdarsteller neigten. So konnte man nur ahnen, was der deutsche Dichter uns sagen wollte. Aber vielleicht wollte er uns auch gar nichts sagen und hat deswegen seine beiden Protagonisten zur Textunverständlichkeit verurteilt.

Zu sagen gab es  auch nicht viel. Der Librettist und ihm im Gefolge der Komponist haben sich an einem Thomas Bernhard Verschnitt versucht: der Thomas Bernhard Leser kennt das schon:

dieses verdammte Habsburgerland mit seinen unsterblichen Nazis, seinem Antisemitismus, diese dumpfen, tumben  Menschen, die nur aufs Fressen und Saufen aus sind, nichts im Kopf haben als rechte Parolen usw. usw. Doch was bei Thomas Bernhard Witz, Satire, Parodie ist und aus einer Haltung der Trauer vorgebracht wird, das gerinnt hier im Libretto zur Schwerblütigkeit und erstickt im Betroffenheitsjargon – und produziert  letztlich nur Langeweile. Da hilft auch nicht viel, dass ‚Theatermacherin‘ Andrea Moses, die in Personalunion für „Regie, dramaturgische Betreuung und Beratung bei der Stückentwicklung“ verantwortlich zeichnet, sich hin und wieder auf parodistische Einlagen verlegt wie etwa beim Volksfest oder beim Besuch der Eltern und dass uns hübsche Postkarten Videos von den Flusslandschaften der Donau vorgeführt werden oder dass in vielen Nebenrollen brillante Schauspieler agieren.

Es bleibt der Eindruck, dass, wenn auch hübsch  verpackt, ewig derselbe Kram serviert wird. Vornehm ausgedrückt: hier werden unreflektiert abgegriffene, so viele Male bis zum Überdruss zitierte Topoi aneinander gereiht. Ja, was soll denn die junge amerikanische Jüdin Lea, deren Eltern vor dem Holocaust nach Amerika geflohen sind, auf ihrer Reise durch deren altes Land denn anders finden  als – siehe oben. Sie kennt halt ihren Thomas Bernhard. Die Reise auf dem großen Fluss, die sie mit einem jungen Mann aus dem Land der Eltern unternimmt, ist eine Reise in die Welt der Albträume. Alles, was sie sieht und hört, wird ihr zum Anlass für Halluzinationen, für Traumbilder der Vergangenheit. Im Finale wird aus dieser Reise in die Vergangenheit eine Reise ins Inferno. Schemenhaft tauchen aus dem Nebel die im Lager Ermordeten auf, und Lea ist mitten unter ihnen. Als Retterin oder  vielleicht als Chronistin? Was Lea (in   der Person der Rachel Frenkel) uns im Sprechgesang vermitteln will, ist selbst in den ersten Reihen des Parketts allenfalls in Wortfetzen zu verstehen. So ahnen wir denn, dass wir wohl eine etwas banalisierende Thomas Bernhard  Collage gesehen haben, die mit  ein bisschen Dante aufgemischt wurde.

Und die Musik? Da ist nicht viel zu sagen. Wie der Librettist so arbeitet auch der Komponist mit Collagen und Zitaten: ein bisschen Jazz und Klezmer zu Anfang, ein bisschen Wagner mitten drin, viel Geräusch und Elektronisches. Ein konventioneller Soundtrack, der nicht weiter auffällig war.

Ein verlorener Abend? Nicht unbedingt. Ein Abend, den wohl Theatermacherin Andrea Moses gerettet hat. Ihr gelingen, wie schon gesagt, ein paar Szenen großen Theaters. Doch aus einem schwachen Stück und einer nicht gerade hinreißenden Musik kann auch die beste Regie keinen großen Abend des Musiktheaters machen.

Wir besuchten die Vorstellung am 14. Dezember 2018, „die dritte Aufführung in dieser Inszenierung“. Die Uraufführung war am 8. Dezember 2018.