Natürlich spielt das Ensemble Matheus unter der Leitung von Jean-Christophe Spinosi einen witzigen, ironischen, glitzernden Rossini, ganz wie man sich das so wünscht und schon so manches Mal bei Rossini Abenden gehört hat. Natürlich ist die Signora Bartoli eine Sängerin mit „geläufiger Gurgel“, die zur Begeisterung des Publikums die Koloraturen so scheinbar ganz ohne Anstrengung zu zwitschern vermag. Und noch dazu ist sie eine grandiose Komödiantin, die gleich vom ersten Auftritt an die Szene beherrscht. Seit Jahrzehnten und noch immer ein Star und ein ‚Bühnentier. Es ist ein Vergnügen, ihr zu zuhören und sie auf der Bühne zu sehen. Natürlich sind auch die Buffo-Rollen mit exzellenten Sängerschauspielern besetzt, die nicht davor zurückschrecken, sich selber der Lächerlichkeit preis zu geben. Natürlich ist der Tenor die Karikatur seiner selber. Alles toll, als unterhaltsam, alles lustig. Frei nach dem Motto aus dem Kindergarten: „Witz komm raus. Du bist umzingelt“. Da darf die frustrierte Ehefrau sich mit Pralinen voll stopfen. Da dürfen die dickbäuchigen Männer in Unterhosen herum stolzieren, die Trottel vom Dienst machen und sich von den Weibern vorführen lassen. Die algerischen Muselmänner sind allesamt dümmliche geile Machos. Die Italiener immerhin noch Furbi, die die Algerier – natürlich unter der Führung der schönen Isabella austricksen. „Mein Gott, wenn das nur gut geht. Das ist ja ausländerfeindlich und nicht political correct“ flüsterte die Dame in der Reihe hinter mir ihrem Begleiter zu. „Keine Angst Sabine. Das ist doch alles nur Spaß, alles nur Nonsens, alles nur Theater“. Ja, wir wissen schon: „Tutto il mondo è burla“. Burla, Scherz und Witz und Komödie. Leider hat das berühmte Regie-Duo Moshe Leiser und Patrice Caurier Burla durchweg als Klamotte verstanden und wohl verdrängt, dass Rossinis Musik Komödie ist und dass manche seiner Figuren auf die Commedia dell’arte verweisen. Klamotte über drei Stunden hinweg, das muss nicht sein. Das wird auf die Dauer langweilig. Immerhin gab es diese wunderschönen Koloraturen zu hören, Belcanto vom Allerfeinsten – mal vom Kamel herunter, mal auf den Knien des gewichtigen Mustafà, mal in der Badewanne, mal als Knutschszene. Und an den Parodien der italienischen und algerischen Mannswelt haben wir alle, Emanzen und Machos, Ehefrauen und Mätressen, unseren Spass gehabt. Spass zu exorbitanten Preisen. Nun ja, wer die Bartoli hören und sehen will, der darf nicht knauserig sein und muß auch schon mal eine etwas dürftige Inszenierung in Kauf nehmen. Irgendwo steht bei Heine, wer Rossini nicht mag, der muß im Paradies ständig Fugen von Bach hören. Ob unser tüchtiges Regie-Duo Rossini mag.? Ich hab‘ da meine Zweifel.
Wir sahen die Aufführung am 20. Mai. 2018. Die Premiere war am 18. Mai 2018. Fünf weitere Vorstellungen gibt es noch im August.