Ich mag diese glitzernde Strauss Musik. Ich mag das manchmal so hohle Pathos. Ich mag diese so rauschhafte Klangfarbenpracht und nicht minder das selige Pianissimo. Ich mag diese so nostalgische Dekadenz. Ich mag all das, mit dem Strauss sein Publikum zu verzaubern weiß.
Wie immer in den Strauss Opern dominieren auch in der Frau ohne Schatten die weiblichen Stimmen. Wenn wie jetzt in der Staatsoper fast alle hohen Stimmen zu brillieren wissen und das Gleiche für Tenor und Bass gilt und wenn noch dazu die Staatskapelle im Strauss-Klang geradezu zu schwelgen weiß und Maestro Zubin Mehta den Solisten im Orchester ausgiebig Gelegenheit gibt, mit ihrer Kunstfertigkeit zu beeindrucken, ja dann bleiben eigentlich keine Wünsche offen.
Und doch bleibt ein gewissen Unbehagen, ein Unbehagen, das nicht von der Musik herrührt, sondern von diesem unsäglichen Hofmannsthal Libretto, dieser scheinbar so ehrgeizig zusammengeschütteten Mélange aus orientalischem Zaubermärchen, Psychodrama und Edelproleten Show, diesem Quark aus Impotenz, Frigidität und Schwangerschaftsängsten, aus dominanten Übervätern, von denen es sich zu lösen gilt, aus verdrängten Sehnsüchten nach Sex und Emanzipation, aus Machogehabe und weiblicher Unterwürfigkeit.
Die Frau ohne Schatten in Szene zusetzen, das ist zweifellos eine Herausforderung für jeden Theatermacher. In München hatte Krzysztof Warlikowski das Geschehen in eine Psychoklinik mit angeschlossenem Waisenhaus verlegt. Hier finden Hofmannstals Psychopathen, das Paar aus der Ober- wie das Paar aus der Unterschicht, Heilung, indem sie ihre Nöte singen und sagen, ohne dass der Doktor Freund eingreifen muß. Die Geheilten – und das ist die ironisch-parodistische Pointe der Inszenierung adoptieren gleich das ganze Waisenhaus, und Oberschicht und Unterschicht verbrüdern sich im Großfamilienglück.
Für das Krankenhaus als Ort des Geschehens, genauer für die gynokologische Abteilung als Spielort, hat sich auch Cllaus Guth in seiner Inszenierung entschieden. Doch anders als Warlimkowski bricht er nicht mit Ironie und Parodie die Handlung auf, sondern überhöht sie zur Traumerzählung im Gerüst einer Rahmenerzählung. In einem Klinikbett, im lichten Luxuszimmer der Klinik, liegt die Kaiserin ( in der Person der Camilla Nylund)) und erlebt das ganze bunte Geschehen mit sich selber als Protagonistin als Albtraum, als Nachtmäre: den impotenten Kaiser, der sich ständig von ihr weg auf die Jagd flüchtet, sich selber als verletzte Gazelle, die drohenden Geister, die frustrierte Färberin, den stets so besorgten Färber- Proleten, der vom Waschlappen zum Macho und Familientier mutiert, die intrigante Amme, die für die unbefriedigte Färberin eine Komödie inszeniert, sich selber als erwachsen gewordene Frau, die sich vom Übervater befreit und sich damit selbst erlöst.
Keine Frage, dass die Regie all dies in einem bunten Bilderbogen, bei der natürlich auch die inzwischen geradezu obligatorische Video Show nicht fehlt, zu erzählen weiß. Erst im Finale findet sie aus den bunten Bildern wieder heraus und kommt zum Anfang zurück. Wieder sind wir im Krankenzimmer der Kaiserin.Wieder steht ihr die Amme, von der sie sich doch im Traum für immer getrennt hatte, als Krankenschwester bei. Wird alles wie in einer Endlosschleife von vorne beginnen? Wohin schaut die Kaiserin, wenn sie wie eine romantische ‚Heldin‘ durchs Fenster schaut? In eine ungewisse Zukunft? Ins Nichts? Die Erlösung war nur ein Traum? Eine Wienerische Maskerade? Und weiter nichts? Fragen, die die Regie gezielt offen lässt.
Wir sahen die Aufführung am 13. April, die zweite Vorstellung in dieser Inszenierung – einer Koproduktion des Teatro alla Scala und des Royal Opera House Covent Garden London.