„Ein Käfig voller Narren“ – oder wie man in Würzburg Meyerbeer erledigt. Die Hugenotten am Mainfranken Theater Würzburg

Ich habe nichts gegen kleine Häuser. Ganz im Gegenteil. Ich habe in Lübeck und in St. Gallen herausragende Wagner Aufführungen erlebt, und ich habe in kleineren Häusern auch schon ärgerliche Flops ertragen  – genauso wie in den großen Häusern. Doch jetzt in Würzburg  war  ich so verärgert, dass ich mich nach dem zweiten Akt in die benachbarten Weinstuben geflüchtet habe. Die Vergewaltigung eines großen Komponisten, auf die man es in Würzburg  offensichtlich angelegt hat, wollte und konnte ich  nicht länger ertragen.

Die Grand opéra, wie man sie in Würzburg versteht, beginnt spektakulär – als Transvestiten Show in einem abgetakelten  Revuetheater. Ja, warum auch nicht. Warum soll man eine Grand opéra nicht dekonstruieren und parodieren, warum soll man sie nicht von aller historischen Verfettung befreien. In Würzburg versucht sich die Regie an diesem Befreiungsschlag und schlägt gleich so heftig zu, dass sie die Oper tot schlägt. Da lässt sie die Festgesellschaft, die Männergesellschaft, in Strapsen auftreten, da erfindet sie für das Revuetheater eine Prinzipalin, die den Clown spielt, dazu. Da macht man aus den beiden Hugenotten Raoul und Marcel Max und Moritz, aus der Königin einen singenden Revuestar, genauer: ein Bunny Girl und aus der armen Valentine, dem Objekt der Begierde‘ zweier Männer, eine Käthe Kruse Puppe. All das ist sicherlich sehr amüsant. Nennen wir eine solche Konzeption der Einfachheit halber die Karnevalisierung der Grand opéra.

Ich hätte das alles amüsiert und klaglos hingenommen, ja wenn nur der Musik Part gelungen wäre. Doch wenn man  nur die Nebenrollen wie zum Beispiel die des  Pagen und die des Saint-Bris angemessen besetzen kann und Tenor und Bass an diesem Abend weit von ihrer Hochform entfernt sind, dann parodiert nicht nur die Szene, dann parodieren auch die Stimmen – und dieses Mal wohl unfreiwillig – die Grand opéra. Und das ist gar nicht lustig. Das ist nur ärgerlich, um nicht zu sagen: peinlich.

Natürlich erwarten wir im Mainfranken Theater nicht solche Hochleistungen oder solchen Stargesang, wie sie die Hugenotten in Berlin  oder auch in Nürnberg bieten. Aber etwas mehr als an  diesem Abend in Würzburg geboten wurde, hätten wir uns doch erhofft. Vielleicht war ja nach der Pause auch alles anders. Mag ja sein. Aber ich konnte nach zwei Akten Szene und Musik – mit Verlaub gesagt –  nicht länger ertragen, habe meinen Mantel bei der schönen Garderobiere abgeholt, noch ein bisschen mit ihr über die Aufführung geschwatzt – sie kannte sie nicht – einen älteren Theaterbesucher fragen hören, ob das auch alles „authentisch“ sei und bin aus dem Theater geflohen. Ein Glück nur, dass der Silvaner im Bürgerspital ausgezeichnet und das Hotel, der Würzberger Hof, exzellent waren.

Wir sahen die Aufführung am 22. Januar 2017. Die Premiere war am 2. Oktober 2016.