„O mia vita, o mi tesoro“ – über Leichen. L’incoronazione di Poppea an der Oper Frankfurt

Ja, wir wissen schon – und wir sehen es auf der Bühne, dass ähnlich wie bei Shakespeare auch bei Monteverdi und seinem Librettisten Giovanni Francesco Busenello die Damen und Herren von Stand  Kriminelle sind, machtgierig und sexbesessen. Die Personen aus der zweiten Reihe sind durchweg Intriganten und Clowns. Der Moralphilosoph ist ein Schwätzer, der im Wortverstande an seinen eigenen Phrasen erstickt.

Ganz in diesem Sinne inszeniert Uta M. Engelhardt im Bockenheimer Depot, einer ehemaligen Industriehalle, die die Oper Frankfurt als Spielstätte nutzt, Monteverdis Macht- und Liebesspiele oder drastischer gesagt: seine mit grotesken Einlagen garnierte Sex and Crime Story. Dafür braucht sie keine große Bühne und viel szenischen Aufwand. Sie setzt stattdessen auf eine ausgefeilte Personenregie. Die wenigen Requisiten, die benötigt werden, ein Tisch, zwei Stühle, eine Couch, ein Servierwagen, bestückt mit Senecas Nürnberger Trichtern, Nerones Modellbauten für sein „Neropolis“,  werden über Laufbänder herein geschoben. Auftritte  und Abgänge geschehen über die Unterbühne und die Seitenbühne.  Im Hintergrund ein labyrinthisches Gerüst, auf dem im Prolog Amor, Virtù und Fortuna herum klettern dürfen.

Minimalismus mit Ausnahme der finalen Krönungsszene. Da darf endlich die Bühnentechnik ihre Kunstfertigkeiten zeigen. Glitzernde, ineinander verschlungene goldene Kronen steigen aus der Unterbühne (oder ist es vielleicht die Unterwelt?) empor. Auf der Hinterbühne Feuer und Rauch: das brennende Rom. Aus der Unterbühne (aus dem Hades)  ragen die Köpfe der Ermordeten und der in den Selbstmord Getriebenen: Ottavia, Seneca, Ottone, Drusilla. Und über all den Leichen schwebt geradezu das so berühmte, so eingängige finale Liebesduett: „O mia vita, o mi tesoro“.  Sublim und schön – brillant gesungen von Nerone und Poppea (in den Personen der Gaëlle Arquez und  der Naomi O’Connell: zwei ungewöhnliche Sängerinnen, die in Gesang und Spiel die Aufführung dominieren).

Die Frankfurter Poppea – so heißt es im Programmheft – „bedient sich sowohl der venezianischen als auch der neapolitanischen Fassung […]. Daneben gibt es Zwischenmusiken aus anderen Werken Monteverdis und aus Stücken von Zeitgenossen und Schülern des großen Komponisten“ (S. 16 und 17). Eine  – so schien es mir – höchst gelungene Konzeption. Und da noch dazu die Regie (vielleicht mit Ausnahme der Schlussszene) sich nicht in den Vordergrund drängt – Prima la musica, poi la messa in scena – und Instrumentalsolisten wie Sängern allen Raum zur Entfaltung  lässt, hatten wir im Publikum das Vergnügen, einen großen Monteverdi Abend zu erleben.

Wir sahen die Aufführung am 3. Januar 2015, die 8. Vorstellung in dieser Inszenierung. Die Premiere war am 20. Dezember 2014.