Diana Mélodrame mit Gluck Sound. Angela Denoke triumphiert als rührend-depressive Prinzessin Diana alias Alceste im Teatro Real

Ist diese Madrider Alceste, wie sie uns Krzysztof Warlikowski und Ivor Bolton  im Teatro Real präsentieren, Musiktheater oder Theater mit Soundtrack? Hat diese zweifellos brillante Inszenierung, die in ihrer Konzeption und deren Umsetzung fürwahr Maßstäbe setzt und die, lässt man sich einmal auf sie ein, überzeugt und begeistert, hat diese Produktion noch etwas mit Gluck und Calzabigi zu tun? Erschlägt die Inszenierung nicht geradezu die Musik und zersetzt noch dazu den Kern des Alkestis Mythos (Selbstaufopferung und Verklärung im lieto fine)? Alceste als Tabletten- und Alkoholsüchtige Prinzessin Diana, eine seelenlose Repräsentationspuppe für öffentliche Auftritte, eine Alceste/Diana, für die sich der Gemahl nicht im Geringsten interessiert, für die der Selbstmord mit einer Überdosis der einzige Ausweg aus der Misere ist? Ist für ein solch zeitgenössisches Mélodrame, das, wenn überhaupt, nur eine sehr ferne Variante des Alkestis Mythos ist, Glucks Musik wirklich die adäquate?  Fragen über Fragen, die ich nicht zu beantworten weiß.

In Erinnerung bleibt bei dieser Madrider Alceste, dass Maestro Bolton und sein Orchester sich wohl ganz den Regieambitionen untergeordnet haben und sich damit begnügen, als Soundtrack Lieferanten zu fungieren. Ja, wäre da nicht die als Sängerin (und auch als Darstellerin)  alle anderen Mitwirkenden weit überragende Angela Denoke in der Titelrolle gewesen, dann wäre wohl Glucks Musik geradezu untergegangen. Wenn diese Musik wirklich Erhabenheit und Feierlichkeit und nicht nur edle Langeweile hervorbringen soll, dann waren es die brillanten Auftritte dieser Sängerin, die die Zuhörer Momente der Verzauberung erleben ließen.

Wie als Sängerin so trägt die Denoke auch als Darstellerin die Aufführung. Wie sie die Repräsentationspuppe in der Klinik beim Besuch der Moribunden, bei den Demutsgesten in der Kirche und beim Festdinner gestaltet, das ist einfach bewundernswert. Wie sie als medizinisches Wrack  in die Anatomie und in die Leichenhalle der Gerichtsmedizin wankt (bei Calzabigi in den Hades), wie sie dann noch einmal aufwacht (man weiß nicht warum. Batman Herkules tut nichts dazu), wie sie im Finale als Schwerstbehinderte im Rollstuhl hockt, wie sie – eine ironische Referenz an das sinnlos gewordene lieto fine – ein Apollo Popanz ins Jenseits entrückt und Gemahl nebst alkoholisiertem Herkules dies gar nicht registrieren, all das ist zweifellos großes Theater, so wie man es von Warlikowski kennt und erwartet.

Schade nur, dass die Regie so sehr auf Überdetermination setzt und so wenig der Imagination der Zuschauer zutraut. Als Vorspann, noch bevor der erste Takt erklingt, präsentiert sie ein Video: Diana in der Person der Angela Denoke gibt das berühmte Interview, in dem sie ihre Situation bei den Royals schildert. Eigentlich ein sehr überflüssiges Signal. Wir alle im Publikum wären auch so darauf gekommen, dass Theatermacher Warlikowski in seiner Alceste am Diana Mythos weiter strickt.

Wir sahen die Aufführung am 15. März 2014, die letzte Vorstellung der laufenden Serie. Die Premiere war am 27. Februar 2014.