Sex-Komödie mit Totschlag- Introduktion oder wie man am Staatstheater Nürnberg Don Giovanni zu erledigen sucht

In Nürnberg – so soll es im Feuilleton gestanden haben – sei ein recht beachtlicher Don Giovanni zu sehen. Da muss der Kritiker – oder ich als simple Opernbesucherin – wohl etwas missverstanden haben. Im Staatstheater Nürnberg präsentiert man mitnichten einen beachtlichen Don Giovanni: eine lärmende, undifferenzierte Ouvertüre, die ein Großteil des Publikums desinteressiert und munter weiter schwatzend zur Kenntnis nimmt. Ein völlig indisponierter Leporello, für den im zweiten Akt einer der Starsänger des Hauses  vom Bühnenrand her den Gesangpart übernimmt. Ein Don Giovanni, der, um es vorsichtig zu sagen, an diesem Abend nicht in Hochform war. Gerettet haben die Vorstellung Donna Anna und Donna Elvira, deren Rollen hochkarätig besetzt waren. Auch Don Ottavio, dessen zweite Arie man leider gestrichen hatte, sang durchaus brillant.

Und die Inszenierung?  In Nürnberg wollte man offensichtlich beim Don Giovanni  mit der Bayerischen Staatsoper konkurrieren – auf unterstem Niveau – und entschied sich wie diese  für eine Primitivversion des Don Giovanni Mythos, nicht für einen Don Giovanni light, sondern für einen Don Giovanni Trash im Milieu der Unterschicht. Dieser Nürnberger Don Giovanni ist schwul, herzkrank, drogensüchtig nach Stoff und  erotischem Frischfleisch und wahrscheinlich auch noch impotent. Und trotzdem fallen (im Wortverstande) die Weiber auf ihn. Er hat eben – so signalisiert es die Regie – den diabolischen Charme eines Unterschichten-Macho. Zur Hölle fährt er, nein: in ein Loch fällt er (Achtung! Symbolik), weil sein alter Ego, Leporello, ihm im Finale die Droge verweigert und ihn ins Loch stößt, wo man vorher schon Giovannis letzte nackte Gespielin, die sich sinnigerweise auf einem Grabstein rekelte, entsorgt hatte (Achtung! Symbolik).

Einheitsbühne ist ein großer Spiegelsaal, der auch den Zuschauerraum reflektiert. Das Signal ist mehr als deutlich: wir da im Publikum sind doch alle Voyeurs, sind genauso erbärmliche Gestalten wie diese triebgesteuerten, verlogenen, vulgären Figuren auf der Bühne. Heißen sie nun Donna Anna, die sich zwecks Befriedigung auf Don Giovanni stürzt oder Elvira, die aus sexuellem Frust zur Alkoholikerin und zur Nikotin Süchtigen wird oder Zerlina, die außer Gier nach Sex nichts im Kopf  hat oder Leporello und Giovanni, die in ihrer Macho-Pose (im Wortverstande) aneinander gekettet sind und die sich nur über ihre Potenz oder Nichtpotenz definieren.

So haben wir denn unter dem Etikett Mozart/Da Ponte, Don Giovanni im Nürnberger Opernhaus  eine billige und langweilige Sex-Komödie für RTL-Zuschauer gesehen. Verständlich, dass das Mädchen in der Reihe vor mir wie zu Hause beim abendlichen Fernsehgucken  gleich nach den ersten Szenen einschlief und sich trotz aller Fortissimi  nicht mehr von der ständig schwatzenden Mama aufwecken ließ.

Schade nur um die Musik. Doch Mozart erträgt wohl heiteren Gemüts  auch die banalsten  szenischen Versionen seines Don Giovanni. Ich finde solche billigen und geistlosen Don Giovanni-Varianten nur ärgerlich. Aber vielleicht habe ich die Grundkonzeption der Regie gar nicht verstanden. Vielleicht war der ganze Trash nur als Ironie gemeint? Vielleicht hat die Regie nur amerikanische  Populärfilme und Fernseh-Soaps  zitiert, und ich habe es gar nicht gemerkt? Im Zweifelsfall sind ja immer die Zuschauer die Ignoranten und die Theatermacher, die „von die Gedankens Blässe Angekränkelten“.

Wir sahen die Aufführung am 22. März 2013. Die Premiere war am 23. Januar 2013.