Traumanaloge Märchen in Hologramm oder die Inszenierung findet nicht statt. Siegfried an der Staatsoper im Schiller Theater

Was ich mir zur Berliner Walküre notierte, gilt in gleicher Weise für den Berliner Siegfried: brillante Sänger, ein Orchester der Spitzenklasse, ein sanfter Wagner Rausch ohne jegliches Gedröhne, eine Inszenierung ohne jeglichen intellektuellen Ehrgeiz.

Man muss ja von einem Opernregisseur nicht gleich ein Welterklärungsmodell erwarten. Auch Ideologiekritik, Rezeptionsgeschichte, intermediales Spektakel, Metatheater, aktualisierende Varianten des Mythos, all das muss ja nicht unbedingt sein.  Der belgische Theatermacher Guy Cassiers, der beim Berliner Ring für Inszenierung und Ausstattung verantwortlich zeichnet, ist da weit bescheidener. Für Cassiers ist der Siegfried ein Märchen, der Kindertraum vom starken, unbedarften Jungen, der den bösen Zwerg, der ihm ans Leben will, tötet, der den Drachen erschlägt, der den Alten, der sich ihm in den Weg stellt, beiseiteschiebt, der die Jungfrau befreit und sie auch kriegt. Dieses Märchen  wird in Berlin in farbenfrohen Bildern erzählt, in Hologrammen und Videos, die die Bühnentechnik mit leichter Hand herbeizaubert. Feurigrot ist die Designerschmiede, die sich sogar in die Vertikale heben lässt. Grau und phallisch ist der Wald vor der Drachenhöhle (vielleicht eine ferne Reminiszenz an Max Ernst und sein „Forêt“ Bild?). Grauweiß ist Brünnhildes Felsengrab, ein Art reliefgeschmücktes Mausoleum mit Hügelgrab im Innern. Das ist alles sehr schön anzusehen, fordert den Zuschauer nicht im Geringsten, entlockt ihm nur hin und wieder ein spöttisches oder besorgtes Lächeln. So wenn eine Tanzgruppe um Siegfried, den Drachentöter, ein Art Schwerttanz aufführt und unserem Helden mit ihren Schwertern ziemlich nahe kommt  oder wenn Siegfried und Brünnhilde auf dem Pappmaché Hügelchen herum klettern müssen und der Zuschauer ständig befürchten muss, das die arme Brünnhilde  in ihrer  neu erwachten Leidenschaft gleich über ihre lange Schleppe stolpert und vom Hügel fällt. Aber da hätte sie der athletische Siegfried (Lance Ryan in seiner Paraderolle) sicher in seinen starken Armen aufgefangen, und die „leuchtende Liebe“ wäre nicht vor der Zeit zu Ende gewesen. „Ja, im Finale – so hörte ich die junge Dame neben mir sagen – da ist wohl dieses Mal nicht den Sängern, sondern der Regie die Luft ausgegangen“. Und da hat die Wagnerianerin wohl die Sache auf den Punkt gebracht.

Siegfried ein Kindertraum in Hologramm. Auch dies ist, wenn man so will, eine Konzeption. Ob man damit an der Berliner Staatsoper glücklich ist? Der Jubel des Premierenpublikums war ein bisschen verhalten.

Wir sahen die Premiere am 3. Oktober 2012.