Die Kölner Oper, an der ich in den letzten Jahren so manche herausragende und leider auch so manche durchschnittliche (um nicht gleich zu sagen: dürftige) Aufführung gesehen habe, geht schlechten Zeiten entgegen. Nicht nur dass das Haus am Offenbachplatz für (angeblich) drei Jahre wegen Renovierungsarbeiten geschlossen wird und eine ehemalige Industriehalle in der Vorstadt und der Musical Dome als Ausweichspielstätten herhalten müssen. Jetzt verzögert die Stadt Köln auch noch die Bereitstellung der „finanziellen Mittel“ für die nächste Spielzeit. Das bedeute, so die Intendanz, dass die Kölner Oper in der neuen Saison wahrscheinlich schließen müsse. So schlimm wird es wohl nicht kommen, wenngleich man, seitdem die Staatspartei sich laut ihren Wahlplakaten primär für Currywurst interessiert, für die sogenannte ‚Hochkultur‘ in Nordrhein Westfalen Schlimmes befürchten muss. Trotz dieser Misere (oder soll man schon von einer ‚Chronik des angekündigten Todes‘ sprechen?) gelingen der Kölner Oper noch immer hochkarätige Aufführungen – wie jetzt mit der Poppea, die in der Industriehalle – vornehm Palladium genannt – in Szene gesetzt wurde. Auf der Bühne ein brillantes Ensemble internationaler Gesangstars. Allen voran Maria Bengtsson in der Titelrolle und Franco Fagioli als Nerone. Im Orchester Spezialisten für Alte Musik. Am Pult ein hoch gehandelter Monteverdi Dirigent. Schade nur, dass Maestro Junghänel in seiner eigens für Köln eingerichteten Poppea Version eine ganze Reihe von Strichen vorgenommen und auf die burlesken Szenen größtenteils verzichtet hat. Doch abgesehen von diesen Einschränkungen ließ der musikalische Part keine Wünsche offen. Es wurde, um es ganz simpel zu sagen, brillant gesungen und musiziert.
Die Regie hat es in Spielstätten, die ohne die Infrastruktur einer Bühne auskommen müssen naturgemäß schwer. Im Kölner Palladium hat man eine relativ schmale Spielfläche in die Mitte der Halle gesetzt, sich mit einer Art Theke und ein paar Stühlen als Bühnenausstattung begnügt, das Orchester zweigeteilt und – leicht nach unten versetzt – rechts und links von der Spielfläche postiert und die Zuschauer längsseits zu beiden Seiten der Bühne der Bühne platziert. Ein Gazevorhang verhindert, dass die beiden Zuschauergruppen sich gegenseitig anstarren müssen und schafft zugleich Distanz zum Bühnengeschehen. Ein etwas irritierender ‚Verfremdungseffekt‘, der zunächst glauben macht, die Akteure seien in einem Glaskasten gefangen und inszenierten sich selber als Abendgesellschaft im Hause eines reichen jungen Mannes. Der junge Mann (im Libretto ein gewisser Nerone) lässt für seine Gäste ein allegorisches Schauspiel über die unbedingte Macht Amors aufführen. Das Ganze aber nur zu dem Zweck, einem der Eingeladenen die Frau auszuspannen. Eine Komödie, die sich dann sehr schnell zur Crime Story dreht – das Libretto kennen wir ja alle aus anderen Aufführungen – und die dann im Finale in Analogie zum Kölner Ulisse eine unerwartete Wendung nimmt. Wie Ulisse so wendet sich auch Nerone vom angeblichen Objekt der Begierde ab. Ulisse zieht zu neuen Abenteuern wieder davon. Nerone schaut sich die Fernsehaufzeichnungen von den zu Tode gebrachten Opfern seiner Poppea Affäre an: den zum Selbstmord gezwungenen Seneca und den ermordeten Lucan. Und dann singen Poppea und Nerone zum Finale das berühmte Liebesduett. Für das Publikum singen sie wundersüß – sich selber langweilen sie sich dabei vor lauter Überdruss aneinander: Szenen einer Ehe. Ein aufgesetzter von der Musik nicht motivierter Schluss – eben ein Regiegag und für uns ehemalige Lateinschüler ein Hinweis darauf, dass der perverse Nero seine Poppea ja bald mit einem Fußtritt ins Jenseits befördern wird.
Wir sahen die Aufführung am 19. April 2012. Die Premiere war laut Programmheft am 16. Oktober 2010.