Es mag ja sein, wie manchen Orts gemunkelt wird, dass den Fans des Belcanto Inszenierung und Ausstattung gleichgültig sind. Hauptsache, es wird ‚schön‘, phantastisch, brillant gesungen. Barcelona bietet mit seiner Donizetti Rarität einen typischen Fall für diese Auffassung.
Im Liceu erfüllen Stars wie die Damrau als gequälte und zeitweise dem Wahnsinn verfallene Dorfschönheit Linda, Juan Diego Flórez als wankelmütiger dandyhafter Liebhaber Carlo und auch das hauseigene Ensemble zweifellos alle Belcanto Erwartungen. Und wer sich von einer Donizetti Oper nicht mehr als Belcanto der Spitzenklasse wünscht, der erlebte im Liceu einen großen Abend. Wer sich mehr erhoffte, der wurde enttäuscht. Die müde, temperamentlose Musik, die da aus dem Orchestergraben tönte, die Stadttheaterregie, die aus den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammen könnte, die Kostüme der Choristen mit ihren Verweisen auf ländlichen Sonntagsoutfit (warum man der Primadonna, die im ersten Akt immerhin die schmucke Landpomeranze mimen durfte, im zweiten Akt nur einen Putzkittel gönnte, bleibt mir unerfindlich), die Lichtregie mit ihrer Vorliebe für ein gelbliches Halbdunkel, die konventionellen Operngesten der Protagonisten, all dies war konzeptionslos, über weite Strecken langweilig und manchmal wohl auch peinlich. Immerhin konnte, wer sich langweilte, zwischendurch katalanisch lernen. Die Übertitelung gibt es im Liceu nur auf Katalanisch, und das Programmheft war in seiner spanischen Version ausverkauft („agotado“). Allein, was tut‘s. Es wurde wirklich sehr, sehr schön gesungen. Belcanto vom Allerfeinsten. Das ärgerliche Beiwerk vergisst man sowieso sofort. Wir sahen die Vorstellung am 5. Januar 2012.