Einschüchternde Gnadenakte im Oberlandesgericht. La Clemenza di Tito an der Oper Köln
Die Kölner Oper ist auf der Suche nach Ausweichspielstätten für das große Haus am Offenbachplatz, das wohl am Ende der Saison für die längst fällige Sanierung (wer weiß, wie lange?) geschlossen wird. Ob der „neubarocke“ preußische Justizpalast am Reichenspergerplatz wirklich eine geeignete Alternative für ein Opernhaus ist, da habe ich meine Zweifel. Der weite Rundbau der Eingangshalle mit ihrem kreuzförmig angelegten Treppenaufgang, den groß dimensionierten Bögen, der Kuppel, den drei übereinliegenden Gängen, die, wenn man so will, gleichsam durch Logen aufgebrochen sind und den Blick auf die Halle frei geben, all dies mag zwar eine machtvolle Kulisse für eine opera seria abgeben. Huldigung des Herrschers, Demonstration, Selbstdarstellung der Macht und Autorität des Staates sind ja Basiskomponenten der opera seria. Und dieser Kölner Justizpalast wirkt in seiner ganzen Anlage in der Tat wie das einschüchternde Symbol der staatlichen Gewalt und Macht. Auch an Spielflächen mangelt es nicht, um die Illusion eines totalen Theaters hervorzuzaubern. Nur ist es ein Theater, in dem für Zuschauer im Wortverstande wenig Platz ist. Der Zuschauer wird zum Zuhörer reduziert. Und da in diesem Justizpalast der Nachhallfaktor erheblich ist, versteht er noch dazu von den Rezitativen kein Wort. Zum Ausgleich dafür klingen die großen Arien und Duette wie Kirchenmusik in einer Basilika. Doch all das hat mich nicht weiter gestört, denn gesungen wurde in allen Rollen höchst brillant. Ein schöner, etwas ungewöhnlicher Opernabend in diesen kalten Hallen. Wir sahen die Aufführung am 10. November 2011.