Die banalisierenden Degradationen des Don Juan Mythos, wie sie immer mehr in Mode kommen (unrühmliche Beispiele aus letzter Zeit sind der Trash Don Giovanni in der Bayerischen Staatsoper oder auch der Waldschrat Don Giovanni der Salzburger Festspiele), diese Herabziehung des Mythos mag ich eigentlich nicht sonderlich. Aber wenn der Mythos so spritzig (!) und so witzig, so ironisch und so parodistisch neu erzählt und in unsere Gegenwart versetzt wird, wie das in der Kölner Inszenierung geschieht, ja dann verschmerzen wir gern alle metaphysischen Bezugspunkte des Mythos. Regisseur Laufenberg und sein Team nehmen offensichtlich den Untertitel des Libretto „dramma giocoso“ im Wortverstande und setzen den Don Giovanni als heiteres Spiel, konkret: als soap opera in einem Strandhotel in der Türkei in Szene. Der Protagonist, ein blonder Kölner Jungmann aus der Oberschicht, und sein Gefährte, ein heruntergekommener Typ aus der Unterschicht, haben sich eine Suite gemietet und beobachten über eine Videoanlage das Geschehen im Hotel. So ist es ihnen ein Leichtes, die rothaarige, sexuell offenbar ausgehungerte Anna, die mit Papa und Möchtegernliebhaber im selben Hotel wohl Urlaub macht, auszuspähen, ein schnelles Opfer für Don Giovanni, der sich im Saunamantel bei ihr einschleicht – und Leporello beobachtet alles über die Videoanlage. Bei dieser Konzeption, in diesem Milieu überrascht es nicht, dass Annas Papa nicht mit dem Degen, sondern mit dem Golfschläger auf Don Giovanni losgeht, von diesem mit dem Küchenmesser erstochen wird, die Leiche schnell im Bad entsorgt wird, dass Elvira eine schnippische Blonde aus dem Norden ist, die ihrem vermeintlichen Gatten nachgereist ist und gleich von seinem Bett Besitz ergreifen will, dass Leporello zur Registerarie die Bildchen der Geliebten und Verlassenen auf die Videowand projiziert, dass Don Ottavio den Charme eines Gemüsehändlers mit intellektuellen Ambitionen hat, dass Donna Anna zur „Dalla sua pace…“Arie sich mit Don Giovanni verlustiert, (womit die Regie gleichsam so nebenbei das alte Problem : Hat sie was mit ihm oder nicht?) erledigt, dass Masetto ein türkischer Macho aus der Unterschicht ist, dass Zerlina mit türkischem Kopftuch daher kommt und für ihre vermeintliche Untreue erst einmal kräftig Prügel bekommt. So reiht sich denn Klischee an Klischee. Aber ganz anders als in der Kölner Carmen wirkt diese Klischee Montage nie langweilig oder altbacken. Die Gemeinplätze werden nicht nur mit Tempo und Schlag auf Schlag serviert, sie appellieren noch dazu an die alltäglichen Erfahrungen der Fernsehkonsumenten und der Türkeiurlauber: ja, so treiben die’s da droben und die da drunten, und am Strand von Antalya, da waren die Feste immer ganz wild, genau so wie jetzt auf der Bühne, und ohne Video und Handy geht gar nichts. Da singt doch tatsächlich der Don Giovanni sein Ständchen zu Beginn des zweiten Akts ins Handy, und eine Computerstimme antwortet ihm: “kein Anschluss unter dieser Nummer“. Ja, warum soll man Don Giovanni nicht auch mal als Musical oder als Operette oder meinetwegen als Kölner Karneval in einer Klischee Türkei aufziehen. Amüsant ist das alle Male. Ein Vorschlag an die Intendanz: lassen Sie ihren Don Giovanni zum nächsten Karneval doch von der Cäcilia Wolkenburg nachspielen. Dann hätten wir im Publikum noch mehr Spaß, als wir jetzt schon hatten. Doch im Ernst: in Köln ist ein herausragender, brillant besetzter Don Giovanni zu sehen und zu hören. Und das Orchester? Es ist unsichtbar und parodiert damit Bayreuth noch dazu. Bei der Wiederaufnahme in der nächsten Saison gehe ich noch einmal hin. Wir sahen die Aufführung am 8. Juli. Die Premiere war am 27. Juni 2010.